Stillende Abgeordnete im Parlament: Brust statt Frust!
Die isländische Abgeordnete Unnur Bra Konradsdottir stillt während einer Rede, die sie selbst hält, ihr Kind. Schön für die Frauen in Island.
Weniger als eine Minute dauerte der Auftritt des kleinen Babys im isländischen TV. Während ihre Mutter, die Abgeordnete Unnur Bra Konradsdottir, vor dem isländischen Parlament einen Gesetzesentwurf verteidigte, ließ sich das sechs Wochen alte Mädchen beim Trinken an ihrer Brust nicht stören.
Auch im Saal schien sich niemand an dem Vorgang zu stören. Die Sitzung im Altthingi lief einfach weiter, keine ungläubigen Blicke, kein Rumoren. „Ich habe einfach meinen Job gemacht“, sagte Konradsdottir Journalisten, und nur im Kontext ist klar, dass sie damit ihren Job als Mutter meint. Ihre Tochter sei hungrig gewesen und es hätte weitaus mehr gestört, wenn sie sie schreiend der Kollegin neben sich übergeben hätte.
Schön für die Frauen in Island. In anderen Ländern gibt es diese Freiheit nicht: Im britischen Unterhaus haben stillende Mütter keinen Zutritt, in den USA werden Frauen, die ihrem Kind im Café oder auf einer Parkbank die Brust geben, nicht selten angepöbelt und beleidigt. Ein Richter in North Carolina drohte einer Zeugin mit Rausschmiss, weil sie ihren Sohn im Gerichtssaal stillte – dies sei „nicht angemessen“. Im Sommer bezeichnete ein Abgeordneter im britischen Unterhaus stillende Mütter im Parlament als Exhibitionistinnen. In Spanien wurde einer Podemos-Abgeordneten, die ihr Baby stillte, vorgeworfen, sie nutze das Kind für politische Zwecke aus.
Es ist nichts Neues, dass sich Männer herausnehmen, über den weiblichen Körper im öffentlichen Raum zu bestimmen – im Namen des guten Anstands. Dabei ist das wirklich unanständige die permanente Sexualisierung des weiblichen Körpers, selbst wenn Babys und kleine Kinder im Spiel sind. Insofern ist es gut und ermutigend, wenn Frauen wie Konradsdottir einfach machen. Ganz normal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen