Stichwahl ums Präsidentenamt: Costa Rica für den Wechsel

Der wirtschaftsliberale Rodrigo Chaves wird neuer costa-ricanischer Präsident. Bei der Weltbank war er wegen sexueller Belästigung geschasst worden.

Rodrigo Chaves hebt die rechte Hand an einem Rednerpult

Löst in Costa Rica einen Sozialdemokraten ab: wirtschaftsliberaler Wahlsieger Rodrigo Chaves Foto: reuters

OAXACA taz | Zunächst erschien er als Außenseiter, doch nun wird Rodrigo Chaves für die nächsten vier Jahre die Geschicke Costa Ricas lenken. Der wirtschaftsliberale Politiker konnte sich bei der Stichwahl ums Präsidentschaftsamt am Sonntag gegen José María Figueres von der sozialdemokratischen Partei PLN durchsetzen.

„Ich verstehe mein heute erlangtes Mandat als Verpflichtung, meine Führung aufrichtig, effizient, transparent, sparsam, aber auch solidarisch mit den am meisten Verletzlichen unseres Vaterlands umzusetzen,“ erklärte er. Der Kandidat der Mitte-Rechtspartei PPSD kam nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmen auf knapp 53 Prozent, während Figueres bei 47 Prozent lag.

Die beiden Politiker mussten sich einer Stichwahl stellen, weil beim ersten Urnengang am 6. Februar keiner von ihnen die für einen Sieg nötigen 40 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Da war Chaves nur knapp zweitstärkster Kandidat geworden, während Figueres deutlich vorne lag. „Da wir Demokraten sind, respektieren wir diese Entscheidung“, erklärte der Verlierer Figueres, der bereits von 1994 bis 1998 Präsident des Landes war.

Ob Chaves tatsächlich für die Schwächeren eintreten wird, ist nicht ausgemacht. Der 60-jährige Wirtschaftswissenschaftler war 27 Jahre lang quer über den Globus für die Weltbank tätig. Nachdem er wegen Vorwürfen, er habe Mitarbeiterinnen sexuell belästigt, innerhalb der Institution degradiert worden war, zog es ihn zurück in sein Heimatland Costa Rica. Dort war er für die noch amtierende Regierung des Präsidenten Carlos Alvarado von der Bürgerallianz (PAC) ein halbes Jahr lang als Finanzminister tätig. 2020 trat er zurück, weil er stärkere wirtschaftsliberale Reformen einklagte, als sie Alvarado ohnehin schon im Auge hatte.

Feministinnen befürchten konservativen Rollback

Daraufhin kündigte er an, für die PPSD als Präsidentschaftskandidat anzutreten und „den Bürgern die Macht zurückzugeben“, indem er Volksbefragungen durchführen werde. Im Wahlkampf versprach er, Reformen seines Vorgängers zu „überprüfen“, die künstliche Befruchtungen und Abtreibungen erleichtern.

Feministinnen befürchten, dass der als „Populist“ kritisierte Politiker die kleinen Schritte in diesem Bereich zunichte mache, die in den letzten Jahren erreicht worden seien. Alvarado hatte u.a. dafür gesorgt, dass die gleichgeschlechtliche Ehe anerkannt wird.

Angesichts der wirtschaftlichen Krise, in der sich Costa Rica befindet, konnte der PAC-Kandidat bei den Wahlen im Februar nicht einmal ein Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Durch das Coronavirus musste Costa Rica, das oft als „Schweiz Mittelamerikas“ bezeichnet wird, schwere Einbußen im Tourismus, der Haupteinnahmequelle des Landes, hinnehmen. Die Arbeitslosenquote liegt bei 14 Prozent, jeder Fünfte gilt als arm, knapp die Hälfte der Costa-Ricaner*innen ist in ungesicherten Arbeitsverhältnissen tätig.

Anfang 2021 beschloss die Regierung die Aufnahme eines Kredites des Internationalen Währungsfonds in Höhe von 1,778 Milliarden US-Dollar. Die damit verbundenen Verpflichtungen, etwa Einsparungen im öffentlichen Sektor, führten zu Protesten, die auch rechte Parteien gegen die Regierung nutzen konnten. Zudem setzten Korruptionsskandale der PAC zu. Diese Vorwürfe sowie die Krise dürften dazu beigetragen haben, dass 42,85 Prozent der Wahlberechtigten nicht an die Urnen gegangen sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.