Stichwahl in Kroatien: Wahlblamage für die Regierung
Kroatiens Präsident Milanović wird mit 74 Prozent der Stimmen wiedergewählt – eine krachende Niederlage für die konservative Regierungspartei HDZ.
Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Wahlkommission am Sonntag mit knapp 44 Prozent traditionell niedrig – etwas weniger noch als in der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen, bei der Milanović seine Wiederwahl für eine zweite Amtszeit mit 49 Prozent knapp verpasste.
Dass ein Sozialdemokrat in der jetzigen politischen Gemengelage in Europa einen derartigen Erdrutschsieg erreichen kann, muss angesichts des Rechtsrucks anderswo verwundern. Dem 58-jährigen Milanović, der von 2011 bis 2016 Regierungschef Kroatiens war, ist es offenbar gelungen, Stimmen auch aus dem konservativen Lager abzuschöpfen.
Aber seinen Sieg als Linksruck zu charakterisieren, ist dennoch fraglich. Zwar hat er innenpolitisch den katholischen Forderungen nach einem Abtreibungsverbot widerstanden. An diesem Punkt ist er ein aufgeklärter Sozialdemokrat geblieben und hat sich gegen den klerikalen Strom gestellt. Erstaunlich in einem Land, in dem die Kirche eigentlich das Sagen hat. Aber die Korruption der regierenden HDZ-Partei war einfach zu offensichtlich, vor allem bei dem Skandal im November letzten Jahres.
Große Schlappe für die konservative HDZ
Außenpolitisch aber hat sich Milanović mit seiner Position zu Putin und dem russischen Angriff auf die Ukraine ins rechte Lager begeben. So hat er als Oberbefehlshaber der Armee kroatischen Offizieren verboten, im Rahmen der Nato an der Ausbildung von ukrainischen Soldaten teilzunehmen. Seine Argumente klingen nach AfD und Wagenknecht-Diktion gegenüber dem russischen Angriff auf die Ukraine. Erstaunlich für ein Land, das 1991 von Serbien angegriffen wurde und vier Jahre lang einen Verteidigungskrieg führen musste.
„Danke, Kroatien!“, sagte Milanović bei seiner Wahlparty in einem Kulturzentrum in Zagreb. „Ich sehe diesen Sieg als Anerkennung meiner Arbeit in den vergangenen fünf Jahren und als Botschaft des kroatischen Volkes an diejenigen, die sie hören sollten“, fügte er mit Blick auf die konservative Regierung von Regierungschef Andrej Plenković hinzu. Denn für den außenpolitisch im Westen verankerten Regierungschef kommt die Wahlniederlage seines Parteifreundes Primorac einer schallenden Ohrfeige gleich. Plenković klang in einer ersten Stellungnahme fast beleidigt.
Der ehemalige Bildungs- und Wissenschaftsminister Primorac, der nach 15-jähriger Abwesenheit in die Politik zurückkehrte, war in der ersten Wahlrunde auf 19 Prozent gekommen. Seine Niederlage in der Stichwahl ist nun eine weitere Schlappe für die HDZ von Ministerpräsident Plenković nach einem Korruptionsskandal im November. Primorac hatte Milanović im Wahlkampf wiederholt als „prorussische Marionette“ kritisiert und ihm vorgeworfen, Kroatiens Glaubwürdigkeit in der EU und Nato zu untergraben.
Der Präsident hat in Kroatien vor allem repräsentative Aufgaben, ist aber auch Oberbefehlshaber der Armee und vertritt das Land auf internationaler Ebene. Das EU-Land Kroatien mit seinen 3,8 Millionen Einwohnern kämpft mit der derzeit höchsten Inflationsrate in der Eurozone sowie mit weit verbreiteter Korruption und einem Arbeitskräftemangel. So muss das Land, das viele Fachkräfte an die EU verloren hat, jetzt Gastarbeiter aus Asien und Afrika einstellen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!