Steuerschätzung 2010: Kein Geld für Geschenke
Die Staatseinnahmen sinken, 2010 gibt es nur eine leichte Erholung, die Schuldenlast steigt unaufhörlich. Jetzt rückt auch die CSU von einer teuren Reform ab.
Rechtzeitig zur Steuerschätzung am Donnerstag bewies die CSU Lernfähigkeit. Eine große Steuerreform sei in dieser Legislaturperiode bis 2013 kaum zu schaffen, sagte Hans-Peter Friedrich, der neue Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, im Interview mit dem Handelsblatt. Dafür brauche man "Entlastungspotenzial, weil man sonst Verlierer produziert", so Friedrich. Dass der finanzielle Spielraum für umfangreiche Steuersenkungen nur schwerlich vorhanden sein dürfte, zeigte gestern die Prognose der Staatseinnahmen für 2009 und 2010.
Dieses Jahr würden die Steuereinnahmen noch unter das Niveau der pessimistischen Schätzung vom Mai 2009 sinken, haben die Steuerschätzer während ihrer dreitägigen Sitzung in Hamburg berechnet. Insgesamt werden Bund, Länder und Gemeinden demnach nur 524 Milliarden Euro einnehmen - 3 Milliarden weniger als erwartet. 2010 steigt das Steueraufkommen mit plus 1 Milliarde Euro gegenüber der Mai-Schätzung zwar wieder leicht an, dies ist aber nur eine relative Verbesserung: Im Vergleich zu den Einnahmen 2008 muss der Staat 2010 mit 50 Milliarden Euro weniger auskommen.
Die leichte Verbesserung macht sich nächstes Jahr nur beim Bund bemerkbar. Die Einnahmen der Länder stagnieren. Und die Städte verlieren nochmals 1 Milliarde Euro. Weil die Unternehmen im Zuge der Wirtschaftskrise weniger Gewinne erwirtschaften, sinken die Erträge aus der Gewerbesteuer, die den Kommunen zustehen. Die finanzielle Lage der Städte und Gemeinden sei damit dramatischer als 2003, dem Jahr des bisher größten Defizits, sagte Petra Roth, CDU-Bürgermeisterin in Frankfurt am Main und Präsidentin des Städtetages. Ihre Schlussfolgerung: "Viele Städte können weitere Mindereinnahmen definitiv nicht verkraften" - umfangreiche Steuersenkungen seien deshalb unrealistisch.
Die Steuerschätzung zeigt, dass die neue Regierung nächstes Jahr Mühe haben könnte, die "Steinbrück-Linie" einzuhalten. Der Exfinanzminister der SPD kalkulierte in seinem Entwurf für den Bundeshaushalt 2010 eine Rekordverschuldung des Bundes von 86 Milliarden Euro ein. Nicht berechnet sind dabei die finanziellen Folgen der Steuersenkungen, die Union und FDP zum 1. Januar 2010 beschließen wollen. Steuererleichterungen für Unternehmen, Erben und Eltern kosten den Staat insgesamt bis zu 10 Milliarden Euro, rechnete CDU-Fraktionsvize Michael Meister gestern vor.
Wenn die Regierung diese Geschenke verteilt, steigen die Schulden. Oder die Koalition muss sparen. Dafür gibt es bislang allerdings wenig Ideen. Meister sagte nur: "Einsparungen sind möglich". An welche Posten, etwa Subventionen, dabei gedacht sein könnte, ließ er offen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sicherte unlängst zu, dass er Steinbrücks Schuldenziel keinesfalls überschreiten wolle.
Nach 2010 ist mit finanzpolitischer Entspannung kaum zu rechnen. Muss die Regierung doch ab 2011 jedes Jahr rund 10 Milliarden Euro einsparen, um die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse und den europäischen Maastrichtvertrag einzuhalten. Für eine große Steuerreform mit Stufentarif und umfangreichen Entlastungen des Mittelstands, wie CSU und FDP sie im Wahlkampf forderten, stehen die Chancen schlecht. Diese Aussichten haben wohl auch den Lernprozess von CSU-Politiker Friedrich beschleunigt. Muss es denn unbedingt eine große Steuerreform sein? Man könne ja auch schon mal mit "einer Stufe beim Eingangssteuersatz beginnen", sagte Friedrich.
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