Steuerflucht von Unternehmen: Vorzugsbehandlung für Big Tech
Der Bundestag hat eine Steuerregel abgeschafft, die Digitalkonzernen wie Google missfiel. Das ist mehr als ein Gefallen für Big Tech.
Mehr europäische Unabhängigkeit von den Produkten der US-Digital-Konzerne wünschen sich laut einer neuen Umfrage zwei Drittel der Bundesbürger:innen. Das sahen die Regierungen Deutschlands und Frankreichs bei ihrem Gipfel zur „Digitalen Souveränität“ diese Woche auch so. Eine eigenständige Politik in die Tat umzusetzen, stößt aber schnell an Grenzen der Macht genau dieser Unternehmen.
Das zeigte sich kürzlich an einem Beschluss des Bundestages, mit dem die schwarz-rote Mehrheit die sogenannte Lizenzschranke abschaffte. Das ist eine Steuer-Regel, durch die US-Digital-Konzerne potenziell mehr Abgaben in Europa zahlen müssten. Zur Streichung des Paragrafen 4j des Einkommensteuergesetzes sagte Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit: „Vermutlich ist das auf den Druck von Unternehmen wie Google, Amazon, Meta und der US-Regierung zurückzuführen.“
Als die Lizenzschranke 2017 eingeführt wurde, sollte sie eine bestimmte Form der Steuervermeidung durch große Unternehmen erschweren. Grundsätzlich geht es darum: Ein US-Unternehmen erzielt in Deutschland zum Beispiel hohe Gewinne, die es aber herunterrechnet, indem seine hiesige Tochterfirma beträchtliche interne Lizenzgebühren an eine weitere Tochter in Irland zahlt, wo die Gewinnsteuer niedriger ist. Die Lizenzgebühren werden etwa damit begründet, dass die Tochter in Deutschland Software nutzt, deren Verwertungsrechte der irischen Tochter gehören. Ergebnis: Hoher Gewinn, aber niedrige Steuer in Deutschland.
Gegen die Stimmen der Grünen und Linken im Bundestag hat die Koalition die Regelung nun gestrichen. Das Bundesfinanzministerium von Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) begründete, das sei kein Problem: „Unerwünschte Gestaltungen zur Gewinnverlagerung werden mittlerweile durch eine Vielzahl an international abgestimmten Maßnahmen – wie die globale Mindestbesteuerung – verhindert.“
Kritiker Trautvetter hält das für falsch: „Weil der Paragraf gestrichen wird, können die Digital-Unternehmen weiterhin von der für sie günstigen US-Besteuerung der Lizenzzahlungen profitieren.“ Anstatt die deutsche Regelung zu eliminieren, müsse das Finanzministerium eher darauf dringen, sie konsequenter umzusetzen, so Trautvetter.
Aus Klingbeils Haus ist zu hören, man habe sich an Empfehlungen der Industrieländer-Organisation OECD orientiert, die die internationalen Steuer-Verhandlungen jahrelang koordinierte. Derweil ergaben Recherchen des Netzwerks Steuergerechtigkeit, dass bereits Klingbeils Vorgänger, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), im September 2024 die Finanzverwaltung angewiesen habe, für US-Firmen eine Ausnahme von der Lizenzschranke zu machen – rückwirkend bis 2018. Während eine offizielle Bestätigung fehlt, vermutet auch Grünen-Finanzexpertin Karoline Otte, das sei auf Druck aus Washington geschehen.
Und es ist offenbar nicht der einzige derartige Fall. Im vergangenen Juli gestattete die Gruppe der größten westlichen Industriestaaten (G7) den USA eine weitreichende Ausnahme bei der globalen Mindeststeuer für Unternehmen. Eigentlich sollen die großen Firmen überall mindestens 15 Prozent Gewinnsteuer zahlen, doch die USA dürfen weiterhin parallel ihr eigenes System anwenden, das Ausweichmöglichkeiten beinhaltet. Trump hatte mit Schikanen gedroht, sollten die anderen nicht spuren.
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