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Sterbehilfe-Prozess in BerlinHaftstrafe für Arzt

Ein Arzt gibt einer Frau, die an Depressionen leidet, tödlich wirkende Medikamente. Jetzt wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt.

Der angeklagte Arzt und sein Anwalt im Gerichtssaal des Kriminalgerichts Moabit, 20.02.2024 Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin/dpa | – Ein Berliner Arzt ist im Prozess zu einem umstrittenen Sterbehilfe-Fall zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Das Landgericht Berlin sprach den 74-Jährigen am Montag des Totschlags schuldig. Die 37-jährige Frau, der er geholfen hat, war aus Sicht der Richter wegen ihrer Depression nicht zur freien Willensbildung in der Lage. Der Mediziner habe „die Grenzen des Zulässigen überschritten“, sagte Richter Mark Sautter. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Arzt hatte bereits zu Prozessauftakt angekündigt, dass er im Fall einer Verurteilung Rechtsmittel einlegen werde.

Die Studentin der Tiermedizin hatte dem Urteil zufolge Anfang Juni 2021 Kontakt zu dem Arzt aufgenommen. Knapp zwei Wochen später stellte der Mediziner ihr die tödlich wirkenden Tabletten zur Verfügung, die sie jedoch erbrach. Am 12. Juli 2021 legte der Arzt dann der 37-Jährigen in einem Hotelzimmer eine Infusion mit einem tödlich wirkenden Medikament. Diese hat die Frau laut Urteil selbst in Gang gebracht – und starb wenig später.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten gefordert, die Verteidigung Freispruch. Der Arzt hatte vor Gericht erklärt, er habe zu keinem Zeitpunkt an der „Urteils- und Entscheidungsfreiheit“ der Frau gezweifelt. Er habe bei ihr „die große seelische Not und die Entschlossenheit“ gesehen, notfalls einen Gewaltsuizid zu begehen. Sein Verteidiger hatte im Plädoyer kritisiert, dass es keine gesetzliche Regelung gebe.

Der frühere Hausarzt gehört einer Sterbehilfeorganisation an und ist in einem früheren Prozess um Sterbehilfe freigesprochen worden. In dem Fall ging es um eine Frau, die an einer chronischen Darmerkrankung litt. Der Patientenwille sei zu achten, hieß es im März 2018 im Urteil, das der Bundesgerichtshof (BGH) später bestätigte.

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1 Kommentar

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  • Solange der Gesetzgeber sich davor drückt klare Regelungen zu schaffen sollte hier niemand der in guter Absicht gehandelt hat verurteilt werden.

    Es ist absurd und unwürdig das man für so eine große und wichtige Entscheidung wie den suizid “in die Schweiz fahren” muss.