Stellungnahme von Jan Böhmermann: Er kann auch ernst
Mit einem Video äußert sich Jan Böhmermann zum eingestellten Strafverfahren gegen sich. Er findet ungewohnt deutliche Worte.
Jan Böhmermann beginnt und endet wie man ihn kennt: mit einem Witz. Als „Pressestatement“ hatte er seinen Auftritt angekündigt, da munkelten die Medien-Branchendienste schon, ob Böhmermann wohl Fragen der Journalisten zulassen werde. Das klang nach offizieller Erklärung, nach hektischen Journalistenfragen in einem stickigen Konferenzraum. Aber auch das gehört zur Böhmermann-Show: Punkt 16.30 Uhr veröffentlichte er sein Statement als Video bei Youtube.
Hinter ZDF-Mainzelmännchen, einem Globus und seinem Laptop nimmt Böhmermann Platz und beginnt zu lesen. Er freue sich, dass die Staatsanwaltschaft Mainz nicht den Aufwand gescheut hätte, sich die Sendung vom 31. März komplett anzuschauen. Bei ZDFneo könnten sie jeden Zuschauer gebrauchen. Ein Böhmermann-Witz, er kokettiert gern mit seinem Spartensender.
Er freue sich auch, dass die Staatsanwaltschaft nun festgestellt hat, dass er ein „unseriöser Quatschkopf“ sei. Damit stehe nun amtlich fest, dass es im Kern um einen Witz gehe. „Die einen sagen: geschmacklos. Die anderen sagen: zu diesem damaligen Zeitpunkt genau richtig.“
Doch dann wird der „unseriöse Quatschkopf“ ungewohnt seriös. Im Vergleich zu dem, was kritische Journalisten, Satiriker oder Oppositionelle durchmachten, sei das Theater um die „Böhmermann-Affäre“ schon wieder ein großer trauriger Witz für sich. In diesem Moment säßen in der Türkei Menschen in Haft, ohne Chance auf einen fairen Prozess. Deutsch-Türken hätten Angst, öffentlich zu ihrer Meinung zu stehen, weil sie um die Sicherheit ihrer Verwandten fürchten müssten. „Das ist scheiße, und genau darum geht es“.
Deutliche Kritik bislang vermieden
Es sind ungewohnt deutliche Worte von Jan Böhmermann. Nach der Aufregung über sein „Schmähgedicht“ um den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyop Erdoğan, um „Ziegen ficken“ und „Fellatio mit hundert Schafen“, hatte Jan Böhmermann sich lediglich in einem Interview mit der Zeit öffentlich geäußert. In dem vermied er allerdings ernstzunehmende Antworten, sondern bediente sich fast ausschließlich der Satire.
Allein in seinem Podcast „Sanft und Sorgfältig“, der mittlerweile „Fest und Flauschig“ heißt, ließ er ab und zu erkennen, wie sehr ihn die Affäre beschäftigte und wütend machte. Nun sagt er sogar: „Wenn ein Witz eine Staatskrise auslöst, ist das nicht das Problem des Witzes sondern des Staates“.
Empfohlener externer Inhalt
Einen Seitenhieb gibt Böhmermann nun auch dem ZDF mit. Für ihn als Künstler sei es enorm wichtig, einen „starken, selbstbewussten öffentlich-rechtlichen Sender mit klarer, unabhängiger Haltung und selbstbewussten Redakteuren hinter sich zu wissen, der Streit, Diskurs und Meinungsvielfalt nicht nur aushält, sondern auch befördert.“ Das ZDF hatte alles andere als den Diskurs befördert: Am Tag nach der Erstausstrahlung des Gedichts, löschte der Sender die Sendung aus der Mediathek und stellte sie anschließend, um den umstrittenen Abschnitt gekürzt, wieder online. Der Sender begründete die Entscheidung damit, dass die Sendung nicht den ZDF-Qualitätsansprüchen an Satiresendungen entspreche.
Aber Böhmermann wäre nicht Böhmermann, wenn er sein hartes Urteil nicht satirisch verpacken würde: Er beendet das Video mit dem Lied „Always look on the bright side of life“. Irgendwas mit „Happy end“ hätte auch gut gepasst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass