Stellengemauschel im Umweltministerium: Ein Posten für verdienten Genossen
Das Umweltministerium hat eine Stelle für Umweltpolitik heimlich in einen PR-Posten umgewandelt. Den bekam ein SPDler ohne Umwelterfahrung.
Für diese Stelle, so schreibt das Bundesfinanzministerium am 15. März an den Haushaltsausschuss, bestehe ebenso wie für zahlreiche weitere Stellen, die die neue Regierung beantragt hat, „ein unabweisbarer, auf andere Weise nicht zu befriedigender Bedarf“.
Sechs Wochen später hatte sich die Lage offenbar geändert. Statt wie beantragt für die Leitung einer neuen Abteilung „Europa, Internationales, Umweltrecht und Nachhaltigkeit“ verwendete das Umweltministerium die zunächst nur temporär bewilligte B-9-Stelle, um eine neue Abteilung „Planung, Strategie, Presse, Kommunikation“ zu schaffen.
Diese Aufgaben waren zuvor in zwei abteilungsübergreifenden Stabstellen angesiedelt. Dem Haushaltsausschuss teilte die Regierung diese Veränderung aber auch nicht mit, als im Mai 2018 der Bundeshaushalt aufgestellt wurde. Dort begründete das von Svenja Schulze (SPD) geführte Ministerium die Stelle wieder mit „neuen Aufgaben und Herausforderungen auf internationaler und EU-Ebene“.
Der Bundesrechnungshof übt daran deutliche Kritik. „Das BMU hat nicht deutlich gemacht, dass es die Planstelle anders verwenden will“, heißt es in einem noch unveröffentlichten Bericht vom 21. September, der der taz vorliegt. Zudem bezweifelt der Rechnungshof, dass es für die Stelle „unabweisbaren Bedarf“ gegeben habe. „Das BMU verwendete diese Planstelle nicht für zusätzliche inhaltliche Schwerpunkte, sondern für eine Neuorganisation leitungsnaher Aufgaben.“ Dass davon „die Arbeitsfähigkeit der neuen Bundesregierung abhing, ist für den Bundesrechnungshof nicht erkennbar“, schreibt die Behörde weiter.
Das Umweltministerium räumt auf taz-Anfrage ein, dass die Stelle anders als beantragt verwendet wurde. Dies sei geschehen, nachdem „die aufbauorganisatorischen Optionen“ nach der Regierungsbildung „im Lichte des Koalitionsvertrags erörtert“ worden seien, schreibt das Ministerium. „Fehlende Transparenz kann dem BMU nicht vorgeworfen werden.“
Scharfe Kritik kommt von den Grünen. „PR und nette Slogans sind Svenja Schulze offenbar wichtiger als echter Klimaschutz und Europa“, kommentiert der haushaltspolitische Sprecher Sven-Christian Kindler die Umwidmung der Stelle. „Die ganze Angelegenheit stinkt zum Himmel“, so Kindler. „Das ist ein klarer Bruch des Haushaltsgesetzes.“ Das weist das Ministerium zurück.
Grünen-Haushälter Kindler stört sich jedoch nicht nur an der nachträglichen Änderung der beantragten Stelle. Sondern auch, wer diese bekommen hat. Die Leitung der neuen Planungsabteilung hat nämlich Volker Meier übernommen. Der SPD-Mann hat schon für Gernot Erler und Franz Müntefering gearbeitet, war einst im Arbeitsministerium für Behindertenpolitik zuständig und hat zuletzt – bis zum Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen – die Vertretung des Landes beim Bund geleitet. Mit Umweltpolitik hatte er bisher nicht zu tun. Kindler sieht die Stelle darum als Versorgungsposten: „Mit der Beförderung eines Parteifreundes macht sich der Klüngel der NRW-SPD jetzt auch im Ministerium von Svenja Schulze in Berlin breit“, kritisiert er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball