: Steinputztag
Unser aller Findling wurde gestern von den Farbspuren der Urbanisten gereinigt ■ Von Tina Petersen
Ein merkwürdiger Geruch liegt in der Luft am Ufer in Schröders Elbpark. Aber es ist nicht der Fluss, der so übel riecht. Es ist der Hamburger liebster Stein, der – kaum aus dem Dunkel der Elbtiefe befreit – mit Graffities und Schriftzügen besprüht worden war. Gestern war nun endlich Steinputztag, um dem Koloss sein natürliches Aussehen zurückzuschenken und ihn vor den Umwelteinflüssen der Großstadt besser zu wappnen.
Eingecremt mit „Decontaminol“ zum Lösen der Farbe – aber ohne Lösungsmittel – , muffelte der Riesenfindling eine Weile vor sich hin. Noch konnte man zum Teil erkennen, was Urbanisten des 20. Jahrhunderts auf dem Steinzeitriesen hinterlassen hatten. Neben den TAGS einiger Grafittikünstler leuchtete in Orange „Freiheit für Mumia“ von dem in der vorigen Woche wohl meistbesuchten Ort in Hamburg.
Nachdem das „Decontaminol“ schön eingezogen war, wurde mit einem Wasserstrahl aus Hochdruckreinigungsgeräten gründlich nachgespült. Zum Abschluss der 2000 Mark teuren Kur gabs dann noch eine Schutzmaske auf Polymeren-Basis, die den Stein versiegelt. Bei erneut auftretenden Kosmetikproblemen kann so auf die Verwendung von chemischen Reinigungsmitteln verzichtet werden. Heisser Wasserdampf ist dann zur Wiederherstellung der porentiefen Reinheit vollkommen ausreichend.
Es besteht übrigens kein Grund zur Sorge, dass die Versiegelung dem Stein irgendeinen Schaden zufügen könnte. Sie ist nämlich luftdurchlässig, „der Stein kann weiter atmen“, versichert ein Reinigungsmann. Da fällt den meisten Hamburgern sicherlich ein Stein vom Herzen, allerdings wirft es die Frage auf, wie der 217 Tonnen schwere Findling die 100.000 Jahre unter Wasser geatmet hat.
Bis auf weiteres kann Hamburgs neue Attraktion also wieder in mausgrau begutachtet werden, vielleicht sogar wie am vorigenWochenende bei Waffeln und Würstchen. Wir leben schließlich nicht mehr in der Eiszeit, auch wenn noch viele Menschen so manche Subkultur des 20. Jahrhunderts ins ewige Eis verwünschen.
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