piwik no script img

Steinmeier wird offizieller KandidatEin Präsident fürs Wir-Gefühl

CDU, CSU und SPD – alle stehen hinter dem Kandidaten Steinmeier. Nur Ex-Guantánamo-Häftling Kurnaz wartet weiterhin auf eine Entschuldigung.

Alle sind überzeugt: „Frank-Walter Steinmeier ist der richtige Kandidat in dieser Zeit.“ Foto: dpa

Berlin taz | Mittwochmittag, Fraktionsebene des Bundestags: Aus der Tiefe des Raums erscheint der künftige Bundespräsident. Präsentiert wird Frank-Walter Steinmeier von den Chefs der drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD. Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel flankieren ihren Kandidaten, es könnte der Moment sein für protokollarische Finesse.

Tatsächlich aber treten hier vier Berufspolitiker an graue Rollpulte, flankiert werden sie von zwei schlapp hängenden Fahnen und ein paar Sicherheitsleuten. Merkel erwartet heute noch Besuch von US-Präsident Barack Obama und trägt wohl deshalb einen Blazer in funky Flieder. Seehofer nickt den Journalisten zu, er hat als Einziger keinen Sprechzettel dabei. Merkel hingegen liest ihre Empfehlung vom Blatt.

Sie sei überzeugt: „Frank-Walter Steinmeier ist der richtige Kandidat in dieser Zeit.“ Die Betonung liegt dabei auf dem Wort dieser. Tatsächlich hatte Merkel es bis zuletzt nicht vermocht, einen eigenen Kandidaten zu präsentieren. Am Ende hatte sie sich dem Wunsch der SPD gebeugt.

Vizekanzler Gabriel dankt Merkel und Seehofer ausgiebig für ihre Unterstützung bei der Kandidatenkür. Das sei nicht selbstverständlich. Seehofer macht es kurz. Für die CSU sei entscheidend, einen „guten Bundespräsidenten für unser Land zu bekommen“. Steinmeier sei dafür „sehr gut geeignet, als Mensch, als Politiker“. Ende der Durchsage.

Von Erhabenheit meilenweit entfernt

Der so Gepriesene gibt schon mal einen Vorgeschmack auf das Amt, in das er Mitte Februar gewählt werden will. „Meine Freude auf die Aufgabe ist groß, mein Respekt davor noch größer“, sagt er. Im Fall seiner Wahl wolle er sich für den Zusammenhalt in der Gesellschaft starkmachen. „Daran will ich mit allen zusammenarbeiten, über Parteigrenzen hinweg, vor allen Dingen aber auch über soziale Grenzen hinweg.“ Es gehe in Deutschland um eine politische Kultur, „in der wir miteinander streiten können, aber respektvoll miteinander umgehen“. Angela Merkel schaut bei diesen Sätzen schräg zu Steinmeier hinüber. Sie nickt und wippt leicht vor und zurück.

So schnell, wie sie gekommen sind, so rasch verschwinden die vier wieder in den Gefilden der Unionsfraktion. Fragen sind nicht zugelassen. Steinmeier hat seine Sache gut gemacht. Von Erhabenheit oder historischer Weichenstellung waren die Minuten im Reichstagsgebäude jedoch meilenweit entfernt.

Eine Stunde später wird Steinmeiers Sprecher auf der anderen Spreeseite in der Bundespressekonferenz gefragt, ob der Noch-Außenminister sich bei Murat Kurnaz entschuldigen werde, wie dieser es gefordert hatte. Der Bremer saß von 2002 bis 2006 in Guantánamo fest, ohne dass Steinmeier sich als Außenminister für ihn eingesetzt hätte. „Die Geschehnisse um Herrn Kurnaz liegen viele Jahre zurück“, wehrt der Sprecher ab. In einem Untersuchungsausschuss seien alle Fragen dazu beantwortet worden. „Dazu ist nichts mehr hinzuzufügen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Franz-Walter Steinmeier - & Die Welt https://www.welt.de/politik/article783997/Steinmeier-ist-sich-keiner-Schuld-bewusst.html

     

    Keiner Schuld bewußt -  der Herr offizieller Kandidat!

     

    Ein (nur) gehandelter Kandidat - http://www.taz.de/!299441/ meint: Bitte Herr Navid Kermani -

    "Wir sind Murat Kurnaz“

    "…Der Staat und zuoberst jener Repräsentant (Franz-Walter Steinmeier), der heute endlich im Untersuchungsausschuss des Bundestages auftreten wird, hat rassistisch gehandelt.…" &

    "…(ob es auch noch korrekt war, bei den amerikanischen Kollegen um seinen Pass zu bitten, um die Aufenthaltsgenehmigung herauszureißen, steht auf einem anderen Blatt, das Frank-Walter Steinmeier sicher gern aus den Akten herausreißen würde)…" &

     

    "… haben sie (deutsche Behörden - letztverantwortlich neben IM Otto Schily - Franz-Walter Steinmeier) bis hin zur Beugung des geltenden Ausländerrechtes …" - &

     

    Stimmt! So nämlich zum Rechtlichen VG Bremen -http://www.asyl.net/rechtsprechungsdatenbank/suchergebnis/artikel/23878.html.

    "..... Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis ist nicht aufgrund der Dauer des derzeitigen Auslandsaufenthalts (Guantanamo) des Klägers erloschen.…… "

     

    &"…alles dafür getan, seine Rückkehr nach Deutschland zu verhindern. Dass Kurnaz damit weiter in der Rechtlosigkeit des amerikanischen Gefangenenlagers blieb, war ihnen klar. Es ist keine Aussage vermerkt, dass dies einem der damals Verantwortlichen auch nur unangenehm gewesen wäre....."

     

    Stimmt - Franz-Walter Steinmeier - gar auf Frage im deutsch. BT.: "…wenigstens Bedauern?" - "Nein!"

     

    & "… Es ist mit Angela Merkel eine Christdemokratin gewesen, die innerhalb kürzester Zeit erwirkt hat, was zuvor fünf Jahre lang angeblich absolut unmöglich und unverantwortlich war, nämlich die Rückkehr von Murat Kurnaz."

     

    Na bitte Herr offizieller Kandidat - So geht/gings doch auch.

    kurz -"Ein Präsident fürs Wir-Gefühl" - Mach Witze!

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Habe mir gerade seine Eigenempfehlung für das Amt durchgelesen (http://www.frank-walter-steinmeier.de/news/453-ein-bundespraesident-muss-mutmacher-sein.html) - der gute Mann lebt eindeutig in einer Blase. Ist allerdings nicht ausschließlich seine Schuld. Wenn eine Partei einen, der so wie er 2009 abkackt aber keinen Anstand hat, seinen Hut zu nehmen, nicht zum Teufel jagt, dann bekommt man auch kein Gefühl für das Verhältnis Leistung-Belohnung.

    Jetzt wird er das "höchste Amt" bekleiden und dies wird ihm endgültig das falsche Selbstbild vermitteln.

  • Und so wie es aussieht, werden wir in 12 Jahren ein ähnliches Bild bewundern dürfen: Merkel wird ihre siebte Kanzlerschaft ansteuern und irgendwelche SPDler werden eine besonders gute Miene zum besonders bösen Spiel machen.

     

    Der totalen politischen Lethargie sei Dank.....

  • Die eine eine Frage - gestellt im Bundetag -

    Gestellt von Wolfgang Nescovic -

    Könnte der Hauptmatador -

    Der Steinmeier/Maaßen-Affäre doch

    Gern nochmals & anders beantworten!

    "Haben Sie auch kein Bedauern?"

    Sein bisheriges "Nein!" - ist mit Verlaub -

    SCHÄBIG - Herr Franz-Walter Steinmeier!