Steinmeier als Bundespräsident: Ein durchaus beliebter Politiker
Steinmeier soll Staatsoberhaupt werden. Er gilt als gewandter Diplomat. Aber es liegt ein Schatten auf seiner Karriere: der Fall Kurnaz.
Elke Büdenbender ist Richterin am Berliner Verwaltungsgericht. Sie ist das, nach allem, was man weiß, gern. Als Frau des Bundespräsidenten aber wäre damit Schluss. Eine First Lady, die Urteile spricht, derlei scheint undenkbar. Stattdessen müsste die Juristin schon recht bald Repräsentationspflichten übernehmen, ausgestattet mit eigenem Büro und eigenem Mitarbeiterstab. Bei Reden und Empfängen, auf Reisen und in Rathäusern sollte sie mit geneigtem Haupt ihrem Ehemann lauschen und freundlich lächelnd viele Hände schütteln.
Elke Büdenbenders Vorstellungen von einem interessanten und selbstbestimmten Leben entspräche dies eher nicht, ist aus dem Umfeld des Ehepaars zu hören. Die Juristin, die 2010 von ihrem Ehemann eine Niere gespendet bekam, hat nie viel Wert auf Öffentlichkeit gelegt – an der sie in Zukunft kaum vorbeikommen wird.
So ist jetzt nun mal die Lage. Am Montagmorgen haben sich CDU, CSU und SPD auf Frank-Walter Steinmeier als gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten geeinigt. Mit gerade 61 Jahren dürfte der Nochaußenminister Mitte Februar zum zwölften Staatsoberhaupt des Bundesrepublik gewählt werden. Er wäre der dritte Sozialdemokrat in diesem Amt.
Fleißig und erkennbar gewandt
Steinmeiers Parteichef Sigmar Gabriel ist erkennbar froh. Sein Vorpreschen in dieser hoch brisanten Personalfrage hat sich ausgezahlt: Er hat seinen Kandidaten durchgesetzt, während die Union das Nachsehen hat.
Bei einer kurzen Pressekonferenz im Berliner Willy-Brandt-Haus sagt Gabriel auf eine entsprechende Frage: „Ich habe gar nichts geschafft, die Person Frank-Walter Steinmeier hat überzeugt.“ In einer Zeit der Umbrüche und der Unsicherheit sei das Vertrauen der Bevölkerung in den höchsten Repräsentanten des Staates „unabdingbar“, fügte Gabriel hinzu. Gebraucht werde jemand, „der das Vertrauen genießt, die Sprachlosigkeit überwinden kann und mit dem sich möglichst große Teile unserer Gesellschaft identifizieren können“.
Murat Kurnaz
Tatsächlich gilt Frank-Walter Steinmeier als anerkannter und durchaus beliebter Politiker. Keine Kleinigkeit, gemessen an der derzeit grassierenden Politikerverachtung. Der SPD-Mann ist fleißig und erkennbar gewandt auf dem diplomatischen Parkett. Ob Ukraine-Krise, Syrien-Krieg, Irak und Afghanistan, ob China, USA , Russland oder Sudan – der deutsche Außenminister ist permanent unterwegs und mit allen im Gespräch. Genau diese Zugewandtheit und Prinzipientreue prädestinieren ihn für das neue Amt.
Aber natürlich gibt es auch Kritik an diesem Kandidaten. Steinmeier steht nicht nur für die sogenannte Agenda 2010, die er als Gerhard Schröders Kanzleramtschef mit getragen hat, oder für das historisch schlechteste SPD-Wahlergebnis von 23 Prozent, das er als Spitzenkandidat zur Bundestagswahl 2009 geholt hat. Mit dem Namen Steinmeier fällt auch immer der Name Murat Kurnaz.
Schulz als Nachfolger?
Der in Deutschland geborene und aufgewachsene Kurnaz war von Januar 2002 bis August 2006 ohne Anklage im berüchtigten US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba festgehalten und gefoltert worden. Steinmeier wird vorgeworfen, sich als Schröders Kanzleramtschef einer Auslieferung von Kurnaz nach Deutschland in den Weg gestellt zu haben. Dabei sollen sowohl deutsche als auch US-Nachrichtendienste von dessen Unschuld überzeugt gewesen sein. Noch als Außenminister der rot-grünen Bundesregierung hatte Steinmeier 2007 erklärt: „Ich würde mich heute nicht anders entscheiden.“
Am Montag meldete sich Murat Kurnaz gleich nach der Bekanntgabe von Steinmeiers Kandidatur zu Wort. „Bis heute ist Frank-Walter Steinmeier nicht auf mich zugekommen, bis heute hat er sich nicht entschuldigt“, teilte er über seinen Anwalt mit. Für Kurnaz sei es „eine offene Wunde“, dass der deutsche Staat ihn in der Not im Stich gelassen habe. Hauptverantwortlicher dafür sei Frank-Walter Steinmeier.
Kurnaz-Anwalt Bernhard Docke sagte: „Herr Steinmeier mag ein guter und bedächtiger Außenminister sein und sich diverse Verdienste erworben haben. Doch es gibt einen dunklen Fleck in seiner politischen Biografie, und diesen Makel sollte er bereinigen, bevor er das höchste Staatsamt übernimmt. Die Zeit dafür ist überreif.“
Bis zur Wahl durch die Bundesversammlung am 12. Februar 2017 sind genau drei Monate Zeit. Bis dahin muss Steinmeiers Nachfolge für das Amt des Außenministers geklärt sein.
Prompt melden CDU und CSU am Montag ihren Anspruch auf das Auswärtige Amt an. Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, sagt gegenüber Zeit Online: „Was für den Bundespräsidenten gilt, nämlich, dass der beste Bewerber es werden möge, gilt auch für den Bundesaußenminister.“ Er sehe in der SPD niemanden, der das Amt ausfüllen könne. Ganz anders natürlich die SPD. Dort wird EU-Parlamentspräsident Martin Schulz als künftiger Außenminister gehandelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene