Steigende Strompreise in Hamburg: Teure Leitungen
In Hamburg ist laut dem Portal Verivox der Strom im Bundesvergleich am teuersten. Das liege auch an den hohen Netzentgelten des kommunalen Betreibers.
Die jährliche Stromrechnung bei einem Verbrauch von 4.000 Kilowattstunden beläuft sich laut Verivox in Hamburg auf 1.264 Euro. Am niedrigsten sind die Preise in Bremen. Dort liegen sie durchschnittlich bei 1.120 Euro, also mehr als 144 Euro – oder: rund 13 Prozent – unter Hamburg.
„Für das Preisgefälle zwischen den Ländern sind vor allem die Netzentgelte verantwortlich“, sagt Verivox-Sprecher Thorsten Storck. Die Netzentgelte werden für Nutzung und Instandhaltung der Stromleitungen sowie Bereitstellung und Ablesung der Zähler erhoben. Zwar liegen die Entgelte in Hamburg bundesweit nicht an höchster Stelle – sie sind aber allein 2020 im Vergleich zum Vorjahr laut dem Energiedatenbankbetreiber Enet um mehr als acht Prozent gestiegen.
Dass die Strompreise auch in Hamburg steigen, ist angesichts des bundesweiten Trends kaum verwunderlich. Erstaunlich ist aber das Tempo des Anstiegs: Vor zehn Jahren gehörten die Strompreise noch zu den bundesweit niedrigsten. Seither sind laut Verivox die Preise in der Hansestadt um 40 Prozent gestiegen. Bundesweit waren es 22 Prozent.
In diese Zeit fällt auch der Rückkauf des Stromnetzes. Beim Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ im September 2013 hatte eine knappe Mehrheit entschieden, dass der damalige SPD-Senat die drei Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme von den Konzernen Vattenfall und Eon Hanse zurückkaufen solle.
29.000 Kilometer lang ist das Hamburger Stromnetz. Angeschlossen sind rund 1,2 Millionen Zähler.
Rund 600 Millionen Euro hat der Rückkauf der Stadt gekostet. Seit 2016 macht Stromnetz Hamburg Gewinne, die an die Stadt abgeführt werden.
Auch das Fernwärme- und Gasnetz ist mittlerweile wieder in kommunaler Hand.
2015 wurde das Stromnetz rekommunalisiert und die Stromnetz Hamburg GmbH gegründet. Damals hatte der damalige Stromnetz-Geschäftsführer Dietrich Graf bereits angedeutet, dass höhere Netzentgelte nötig seien.
Für die höheren Kosten für Verbraucher:innen gebe es heute zwei konkrete Gründe. „Hamburg investiert viel in die Stromnetze“, sagt Stromnetz-Sprecherin Anette Polkehn-Appel. Die jährlichen Investitionen der Netzgesellschaft seien zwischen 2015 und 2019 um 53 Prozent auf 222 Millionen Euro gestiegen.
Dass Investitionen vor der Rekommunalisierung durch die privaten Betreiber ausgeblieben seien, will sie zwar nicht bestätigen. Allerdings: „Es wurde weniger als heute in die Netze investiert.“
Die Hamburger Verbraucherzentrale springt dem Betreiber bei und verweist darauf, dass ein Vergleich von Netzentgelten problematisch sei: Netzausbau und -unterhaltung seien unterschiedlich teuer.
Ein zweiter Grund seien die Entgelte der Übertragungsnetzbetreiber – also der vier großen Unternehmen, die mit den Höchstspannungsnetzen den Strom über große Entfernungen in Deutschland transportieren. Auch diese Entgelte würden steigen und vom Hamburger Netzbetreiber lediglich eins zu eins weitergeben. Beim Unternehmen 50 Hertz, das Hamburg beliefert, liegt die diesjährige Steigerung laut Enet bei sieben Prozent.
Dabei erwirtschaftet Stromnetz Hamburg – aufgrund der Netzentgelte – mittlerweile erstaunliche Gewinne. Nach eigenen Angaben wurden im letzten Geschäftsjahr 2019 knapp 91 Millionen Euro Gewinn gemacht und letztlich an die Stadt Hamburg abgeführt. Die hohen Gewinne als Anlass für sinkende Preise auf Verbraucherseite zu nehmen, will das städtische Unternehmen nicht: Erst solle das Unternehmen an der Refinanzierung des Kaufpreises mitwirken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden