Stefan Alberti ist überrascht von den neuen Forsa-Umfragewerten: Es grünt so grün
Die Mehrheit der BerlinerInnen fände also einen grünen Bürgermeister gut. Dass Meldungen einer Nachrichtenagentur einen doch immer wieder überraschen können. Ein Grüner oder eine Grüne im Roten Rathaus ist also nicht nur gesellschafts-, sondern sogar mehrheitsfähig.
Das Interessante daran ist, dass die Berliner Grünen in diesem Wahljahr ausdrücklich darauf verzichtet haben, erneut eine einzige „Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin“ zu benennen. Das hat viel damit zu tun, dass die Partei bei der vergangenen Wahl 2011 nicht die besten Erfahrungen machte, als sie die Exbundesministerin Renate Künast dafür nominierte. Da brachen Umfragewerte von über 30 Prozent derart ein, dass die Grünen ihr zuvor noch nie erreichtes Wahlergebnis von fast 18 Prozent als Niederlage empfanden.
Demut war also angesagt, obwohl die Partei inzwischen auf 20 Prozent geklettert und damit in einigen Umfragen zweitstärkste in Berlin ist, vor der CDU. Dieses Mal präsentiert der grüne Landesverband also nicht nur eine Person an der Spitze, sondern gleich vier davon – was Journalisten wie wir gerne aufnahmen und daraus Viererbande, Kleeblatt und Ähnliches machten.
Kandidatin Nummer eins
Eine ist allerdings doch bedeutender als die anderen, nämlich Ramona Pop, die Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus. Eine der vier muss schließlich auf dem ersten Platz der Kandidatenliste stehen. Was die Grünen allerdings nicht betonen und was dem linken Flügel der Partei nicht besonders gefällt.
Jetzt könnte man ganz gemein sein und denken: Die Leute können sich ein grün regiertes Rotes Rathaus genau aus diesem Grunde so gut vorstellen – weil die Partei es eben offen lässt, wen sie dahin schicken würde. Gemein ja, aber nicht abwegig: Denn bei einem Spitzenquartett kann sich jeder, der den Grünen halbwegs gewogen ist, aus den vier Personen eine ideale Regierungschefin zusammenbasteln. Der Charme der einen mit der Kreativität der anderen plus der Analysefähigkeit des Dritten …
In der jüngsten Umfrage ist Ramona Pop immerhin drittbeliebteste Berliner Politikerin geworden, knapp hinter dem amtierenden Regierungschef Michael Müller von der SPD. Die neue grüne Demut, sie scheint sich also auszuzahlen. Dummerweise ist da weiterhin das nach dem früheren Fraktionschef benannte Erste Wieland’sche Gesetz, das lautet: „Die Grünen gewinnen die Umfragen, die anderen die Wahlen.“
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