Start von Cannabis Social Clubs: Sind die da oben denn alle bekifft?
Seit diesem Montag dürfen die Cannabis Social Clubs loslegen. Doch Berlin hat den Start verpennt. Verpeiltheit oder Absicht?
S eit diesem Montag können die Cannabis Social Clubs endlich loslegen. Kiffer*innen können dort legal anbauen und sich Gras besorgen. In Teneriffa bin ich schon Mitglied in einem solchen Club, höchste Zeit also, das auch in meiner Stadt zu tun, denke ich mir.
Gesagt, getan, ich gehe auf die Webseite des erstbesten Cannabis Clubs, den mir Google ausspuckt. Für nur 12 Euro im Jahr kann man dort Mitglied werden – und sichert sich damit einen Platz in der künftigen Anbaugermeinschaft.
Künftig?, denke ich irritiert, ich dachte, das gilt schon ab heute. Die Mitgliedschaft gilt dafür rückwirkend ab dem 1. April, also dem Beginn der Teillegalisierung, aber geschenkt, ich mache erst mal weiter.
Nach der Eingabe meiner Daten werde ich dann gefragt, wie viel Cannabis ich pro Monat „benötige“ – interessante Formulierung. Bis zu 50 Gramm kann man angeben, was echt nicht wenig ist, aber eben die maximal erlaubte Menge. Leider ist mein Bezirk Mitte als einziger nicht dabei, also wähle ich einen Nachbarbezirk aus. Noch kurz die E-Mail-Adresse bestätigen, und dann bekomme ich die Mitteilung, dass der Antrag „in Kürze“ bearbeitet wird. So lange kann man sich ja schon mal informieren, heißt es.
Brandenburg macht's vor
Na gut, also nix mit schneller Mitgliedschaft à la Teneriffa. Da bin ich einfach in den nächstbesten Club reinspaziert und wurde gefragt, ob ich da wohne – si claro! Und schon hatte ich eine Mitgliedskarte in der Hand und konnte zwischen zahlreichen Sorten Gras auswählen und es mir mit einem kühlen Getränk in einer der Sofaecken bequem machen.
So einfach ist es im bürokratieverliebten Deutschland natürlich nicht. Also folge ich dem Rat der Webseite und informiere mich. Dabei wird schnell klar, dass die Social Clubs noch eine weit entfernte Realität sind: In Berlin gibt es nicht mal eine Verordnung, die die Zuständigkeiten im Zusammenhang mit dem Cannabisgesetz regelt.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, etwa Brandenburg, wo bereits vor zwei Wochen beschlossen wurde, dass Lizenzen für den legalen Grasanbau beim Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit gestellt werden, hat es Berlin verpeilt, sich darum zu kümmern.
Dabei dauert es nach Antragstellung bis zu drei Monate, bis dieser auch bearbeitet wird – in Berlinzeit gerechnet also ein Jahr. Doch die Verantwortlichen in der Senatsgesundheitsverwaltung nehmen es locker: Kurz vor knapp wurde am Freitag eine vorübergehende Lösung à la Berlin gefunden: Erst einmal – und vielleicht auch für immer – sollen die Bezirke zuständig sein. Die wissen allerdings von nichts, wurden vorab auch nicht informiert, und eigentlich gibt es dafür auch überhaupt keine Kapazitäten.
Die CDU ist klar dagegen
Wer schon mal versucht hat, einen Termin beim Bezirksamt zu bekommen, weiß, dass die Lizenzen im besten Fall als Weihnachtsgeschenk unterm Baum beziehungsweise der Cannabispflanze liegen werden. Wenn überhaupt, denn bis heute ist völlig unklar, welches Fachamt in den Bezirken überhaupt zuständig ist und ob die Anträge per Post oder digital eingereicht werden sollen und so weiter …
Sind die da oben denn bekifft?, könnte man sich da fragen. Schließlich kommt die Stufe zwei der Teillegalisierung nicht überraschend. Wer ein bisschen klarer im Kopf ist, könnte vermuten, dass die Cannabis-Abgabe in Social Clubs in der CDU regierten Hauptstadt schlicht verschleppt wird – sind die Christdemokrat*innen doch erklärte Gegner*innen der Entkriminalisierung. Einige Social Clubs haben ihren Satzungssitz daher bereits nach Brandenburg verlegt.
Die Party im Cannabis Beet (guter Song by the way) in Berlin fällt also erst einmal aus. Den Eintritt dafür, also den Mitgliedsbeitrag, muss ich aber trotzdem schon bezahlen. Ganz schön ernüchternd.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour