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Start der elektronischen PatientenakteEine gute Entscheidung braucht ehrliche Kommunikation

Kommentar von Svenja Bergt

Weil über die Risiken der digitalen Patientenakte nicht aufgeklärt wird, können sich Patienten keine neutrale Meinung bilden. Das verspielt Vertrauen.

Mit Risiken und Nebenwirkungen: Die elektronische Gesundheitskarte Foto: Fabian Sommer/dpa

W as ist sie nun, die elektronische Patientenakte (ePA), die am Mittwoch in den Modellregionen gestartet ist? Ist sie ein Werkzeug, um die medizinische Versorgung zu verbessern? Ein Problem in Sachen Schweigepflicht? Ist sie ein Schritt hin zu mehr Transparenz für die Patient:innen? Oder ein Sicherheits­risiko für die Gesundheitsdaten der Versicherten?

Wahrscheinlich ist sie all das gleichzeitig und noch mehr. Es handelt sich um eines der bislang größten Digitalisierungsprojekte in Deutschland – und weil es die Gesundheitsdaten von Millionen Menschen betrifft, auch um eines der sensibelsten. Und genau deshalb gibt es ein Problem, das über die ePA selbst hinausgeht: die Kommunikation.

Sowohl der Gesundheitsminister als auch die Krankenkassen informieren extrem einseitig. „Die Daten der Bürger sind sicher vor Hackern“, sagte Lauterbach kürzlich bei einem Vor-Ort-Termin – kurz nachdem Ex­per­t:in­nen des Chaos Computer Clubs schwerwiegende Mängel aufgezeigt hatten. Und die Krankenkassen? Schwärmen in ihren Schreiben an die Versicherten von den Vorteilen – und lassen die Risiken beflissen weg.

Eine Abwägungsfrage

Dabei sollten alle mittlerweile gelernt haben: Es gibt kein IT-System, das zu hundert Prozent sicher ist. Und Daten, die gesammelt werden, werden zweckentfremdet. Es ist nur eine Frage des Wann. Dennoch können sich Pa­ti­en­t:in­nen verständlicherweise für die ePA entscheiden – wenn sie davon ausgehen, dass der Nutzen für sie größer ist als die Risiken.

Kennen sie letztere aber nicht, ist das Vertrauen ganz schnell verspielt. Spätestens dann, wenn doch Daten in unbefugte Hände geraten. Das muss gar kein Hackerangriff sein, wie ihn sich viele Menschen vorstellen – mit zwielichtigen Personen, die an Computern sitzen und komplizierte Codes eintippen.

Es reicht, wenn ein Mitarbeiter einer Praxis oder (Versand-)Apotheke sein Zugriffsrecht missbraucht. Oder bei einer Studie mit pseudonymisierten ePA-Daten Pa­ti­en­t:in­nen re-identifiziert werden. Nur wer die Risiken kennt, kann eine wirklich bewusste Entscheidung treffen.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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1 Kommentar

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  • Widerspricht man der ePA nicht und möchte dennoch unbeobachtet beispielsweise in Psychotherapie, muss man erdulden, dass etwa der Zahnarzt (der Hausarzt etc.) über den Umweg des Abrechnungsbogens (in dem sämtliche Diagnosen und Medikationen des Versicherten mit Kennziffern aufgelistet werden - und zwar von allen Behandelnden) davon Kenntnis erlangen kann. Da werden Millionen ausgegeben und solche strukturellen Datenschutzlecks werden übersehen. Von CCC red' ich da noch gar nicht ... unfassbar!