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Starköchin übers Verhältnis zum Essen„Die ekeln sich vor einem Apfel“

Die Spitzenköchin Sarah Wiener beklagt eine wachsende Distanz zwischen dem Essen und seiner Herkunft. Bei manchen Kindern trage das bizarre Züge.

Sieht eigentlich gar nicht so eklig aus. Oder? Bild: dpa

Die Berliner Starköchin Sarah Wiener warnt vor den seltsamen Auswüchsen, die die wachsende Entfremdung jüngerer Generationen vom immer stärker industrialisierten Essen mit sich bringt. Sie sehe, „dass hier eine Generation heranwächst, die sich zum Teil vor einem Apfel auf dem Apfelbaum ekelt“, sagt Wiener im aktuellen sonntaz-Gespräch.

„Wir versuchen ja alles, um dem Kind die Verbindung zum Natürlichen abzuschneiden“, moniert die Köchin. „Wir haben normierte Fleischpackungen, wir dürfen keine Sehnen und keinen Blutfleck zeigen. Nichts soll an das Lebewesen erinnern. Es wird alles normiert, gepresst und so angeboten, dass wir es im Zweifelsfalle nicht mehr mit natürlichen Grundstoffen oder Tieren in Verbindung bringen können“, sagt Wiener.

Die Industrie sei dabei zu erforschen, „wie man es chemisch schafft, fünf Apfelschnitze so in Plastik einzuschweißen, dass sie nicht braun werden und oxidieren. Was ist denn mit uns los?“

Neue Ernährungselite

Sarah Wiener besitzt mehrere Restaurants und ist seit Jahren Dauergast zahlreicher Kochshows. Auf Schulabbruch, Sozialhilfe und Gelegenheitsjobs folgten für sie die Wende in Form eines Dinners, von dem die eingeladene Schauspielerin Tilda Swinton so begeistert war, dass sie Wiener als Caterin engagierte. So begann ihre Karriere. Gerade ist ihr Buch „Zukunftsmenü“ erschienen.

taz

Das Gespräch mit Sarah Wiener lesen Sie in der sonntaz vom 6. April 2013. Darin außerdem: Wir Kriegsenkel. Wie die Enkelgeneration Spuren des Krieges sucht, um ihre Familien zu verstehen.

Wiener fordert eine stärkere Auseinandersetzung mit Lebensmitteln und ihrer Entstehung. Fleisch etwa: „Welches Tier, welches Teil vom Tier, welche Rasse, was hat das Tier gegessen, wo ist es gestanden, wie ist es gezüchtet worden, wie ist es geschlachtet worden, wie ist es gelagert worden, was ist auf dem Transport passiert - und schließlich: Was koche ich wie daraus? Das sind ungefähr zehn Punkte, die Sie bedenken müssen, wenn Sie über die Qualität wirklich etwas sagen wollen.“

Im sonntaz-Gespräch formuliert Wiener den Begriff einer neuen Ernährungs-Elite: „Die wahre Elite sind die, die sich selbst beschränken und ab und zu ein gutes Stück Fleisch genießen können, weil es nachhaltig erzeugt und artgerecht gehalten wurde. Bewusst zu genießen, das ist Elite.“

Aus einer Sache zwanzig Sachen kochen zu können und nicht aus zwanzig Sachen eine, das sei die Kunst beim Kochen.

Das komplette Gespräch mit Sarah Wiener lesen Sie in der sonntaz vom 6./7. April 2013. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo.

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13 Kommentare

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  • MB
    Martin Braun

    Ich esse immer weniger Fleisch und achte darauf dass es aus artgerechter Haltung kommt.

    Artgerechte Haltung gibt es nicht? Doch. Ich kenne Bauern, die achten und kennen ihre Sauen und den Sauen geht es sichtlich wohl, weil sie haben was sie brauchen: den richtigen Boden, genug Platz, Verstecke, Futter, Gesellschaft. Diese Sauen werden geschlachtet werden, also getötet, um von uns gegessen zu werden. Aber mit einem Verfahren, das sie überrascht möglichst wenig Stress für das Tier.

    Ich habe Respekt vor Vegetariern, auch Veganern, aber ich fürchte sie, wenn sie kampfeswütig werden. Was schreibt unser "Veganfaschist"? "Diese Person hat bewiesen, dass sie ein kaltblütiger Barbar ist." Was man sagt, das ist man selber. Lieber Veganfaschist: Auch die Mohrrübe lebt. Es ist ein Prinzip, dem niemand entkommt: um zu leben, muss man Leben töten. Es kommt auf das WIE an, auf die Haltung, den Respekt. Nein: Frau Wiener ist kein Barbar.

  • H
    hmm

    Nichts neues in den Kommentaren-nur der uebliche Deutsche Hassanfall gegenueber Menschen die anders leben wollen als man selbst,speziell gegenueber Menschen die man als Elite bezeichen koennte.Also Menschen,die auf Grund ihrere ueberdurchschnittlichen Faehigkeiten aus der Masse hervorscheinen.Hier in Deutschland steht man ja eher auf"in der Menge untergehen und nur ja nicht auffallen".Hat sich also in den"letzten 1000 Jahren""nichts wesentliches geandert.

  • L
    Leo

    Ich bin auch kein Fan davon, Tiere in Lagern zu konzentrieren und zu misshandeln, um teile daovn billig zu erwerben und zu essen.

     

    Das Bewusstsein, dass Wiener jedoch fordert, halte ich für richtig, weil es der erste Schritt ist, wirklich zu erkennen, wahrzunehmen, dass die 1,49EUR-Packung mit steril wirkendem rotem Etwas von einem Tier stammt. In dem Bewusstsein überlegt man es sich vielleicht auch mit schmalerem Geldbeutel, ob man das kauft oder ob mans lässt - oder eben nur selten zu einem teueren Preis aus artgerechter Haltung einkauft.

     

    An Elite muss man dabei gar nicht denken: nach WKII sind die Leute mit ihren Perserteppichen aufs Land, um den beim Bauern gegen Nahrungsmittel einzutauschen. Sollte heute die globale Logistik zusammenbrechen und die "Ware" der Massenhaltung verhungern: es gäbe keine lokale Stelle mehr, der man Perserteppiche auch nur anbieten könnte. Die "Nahrungserzeugung" ist industriell, und wen wundert es, dass Kinder glauben, Essen komme aus der Tüte? Oder hat jemand schon mal in Gegenwart seines Kindes ein Kaninchen geschlachtet? DAS sollte m.E. Voraussetzung für Fleischkonsum sein. Wer das isst, sollte hinschauen MÜSSEN.

  • OP
    Oktern P.

    Mein Lammbraten zu Ostern war wiedermal hervorragend lecker.

  • H
    Hansi

    Offenbar ist es Frau Wiener wichtig, Teil einer Elite zu sein. Mir nicht. Ich verzichte auch weiterhin auf ein "gutes Stück Fleisch".

  • E
    eWolf

    Man kann Frau Wiener nur aus vollem Herzen zustimmen. Insbesondere was die zwanghafte Zwangsernährung von Kindern durch ihre fehlgeleiteten Mütter angeht.

  • TK
    Tadeusz Kantor

    echt ekelig, Menschen, die Tiere essen.

    So Leute wie Wiener bringen uns keinen Schritt weiter.

  • E
    eva

    Falsch, Frau Wiener.

     

    Die wahren Eliten sind die, die kapiert haben, dass wir mit unserem Konsum tierischer Produkte den Welthunger und die Klimakatastrophe vorantreiben und daher längst zukunftsorientiert und genußvoll, tier- und umweltfreundlich vegan essen.

     

    Hätten Sie neulich schon von Martin Balluch vom Wiener VGT beim Hangar 7-Gespräch lernen können.

  • DB
    Der böse intolerante Veganfaschist

    Sich bewusst darüber sein, dass ein Lebewesen fühlt, denkt, empfindet, Wünsche und Bedürfnisse hat, ein Individuum ist... und es dann auf 20 verschiedene Arten zubereiten.

    Diese Person hat bewiesen, dass sie ein kaltblütiger Barbar ist.

     

    Bitte in Zukunft keine Artikel mehr über solch ach-so-super-duper-Elite-Oberklasse der Kochkunst wenn diese nicht mal intelligent genug ist, ethische Mindeststandards zu erfüllen.

     

    Braucht kein Mensch, nicht-Mensch auch nicht.

  • B
    bonjourmadame

    Moment... Fleisch, das artgerecht gehalten wurde? Wie war das mit der Entfremdung?

  • KK
    Kein Kunde

    Wir Deutschen können weder mit dem Begriff Elite, noch Premium etwas anfangen.

    Wir können nur Preisetiketten lesen, alles darüber überfordert uns, und besonders die Leistungsträger, denn diese sind ganz im Sinne des Wortes Leistungen anderer am wegtragen.

    Weshalb wir ihren Ehrgeiz bewundern.

    Auch hier verstehen wir den Sinn des Wortes nur wörtlich.

    Wir lehnen sogar den Begriff der Mühe ab und scheuen ihn wie der Teufel das Weihwasser in Zeugnissen, während wir gleichzeitig die größte Sorge haben, ob unsere Kinder studieren, ohne das Wort übersetzen zu können.

     

    Uns erbärmlichen ist große Gerechtigkeit damit getan, Kinder zu haben, die Äpfel eklig finden.

  • W
    Wurstpuppe

    Zuerst entfremdeten wir uns von unserer Arbeit, dann von unserem Essen, was wir das nächste sein? Unser Körper? Mit Schönheits OPs, permanent Make up und ähnlichem bewegt sich die Menschheit der sogenannten zivilisierten Welt schon in diese Richtung.

  • A
    autocrator

    Ich fürchte, frau Wiener führt einen aussichtslosen kampf:

    gegen die verlockungen der nahrungsmittelindustrie ist nur gefeit, wer "die magie des kochens" persönlich erfahren hat.

    Das problem ist: die produkte der nahrungsmittelindustrie sind ja nicht wirklich "schlecht", und dank globalisierung kann ich selbst im lebensmitteldiscounter die unglaublichsten produkte und geschmäcker aus den entlegendsten winkeln der welt finden - dazu erfinden McDonalds & Co. im vierteljahresrhythmus eine neue campagne, was gerade "in" ist zu essen ...

     

    was im mittelalter haferschleim und hirsebrei für's breite volk war, ist heute halt das glutamat-geschwängerte fertigprodukt im tiefkühlregal.

    Die "magie" war immer schon etwas für eine elite, - und deren kennzeichen ist nunmal auch, dass es kein massenphänomen ist.

     

    Wenn sich irgendwelche Kevis und Schanines vor äpfeln ekeln: deren problem.

    Und noch gibt es möglichkeiten (dank internet sogar verbessert & auch günstig), an wirklich gute produkte jenseits des nahrungsmittelindustrie-mainstreams heranzukommen.