Star Wars „Die letzten Jedi“: Wenn das Alte stirbt
Die neue Episode erweitert den Kampf zwischen Gut und Böse zum verwickelten Familienkonflikt. Gegen zu viel Pathos gibt es Selbstironie – dosiert.
Beim Übersetzen geht ja fast immer etwas verloren. Im Original der neuen Star-Wars-Episode, man zählt inzwischen Nummer acht, heißt der Titel noch elegant mehrdeutig „The Last Jedi“. Und lässt damit offen, ob einzig und allein „der letzte Jedi“, genauer Luke Skywalker, gemeint ist. Der deutsche Verleihtitel hingegen schafft rücksichtslos Klarheit: Es geht um mehr als nur ihn, nämlich um „die letzten Jedi“, diese laserschwertführenden Ritter, die im Zeichen der Macht aktuell antreten, den Widerstand gegen die Weltall-Unterdrücker der imperialen „Ersten Ordnung“ zu unterstützen. Oder auch nicht.
Kurze Rekapitulation: Im vorangegangenen Teil „Das Erwachen der Macht“ von 2015 war Rey, die junge Hoffnung des Widerstands, gegeben von der heute 25-jährigen britischen Schauspielerin Daisy Ridley, am Ende des Films auf einer hochgradig verlassen wirkenden Felseninsel in irgendeinem hinteren Winkel der Galaxie gelandet, um dort auf Luke Skywalker zu treffen. Man sah ihn, den mittlerweile etwas zerknautschten Mark Hamill, bloß kurz im Bild. Klar war aber: Er hat noch eine Aufgabe zu erledigen.
Zu tun gibt es genug: In Episode acht, bei der diesmal der US-Amerikaner Rian Johnson Regie geführt hat, sind die Rebellen des Widerstands unter General Leia Organa (würdevoll: Carrie Fisher in ihrer letzten Rolle) wieder einmal zuverlässig in Bedrängnis. Die Erste Ordnung unter ihrem unansehnlichen Obersten Anführer Snoke (kunstvoll deformiert: Andy Serkis) will mit der aufsässigen Neuen Republik endgültig Schluss machen und schickt Zerstörer, um die Raumflotte des Widerstands endgültig zu zerlegen. Für beherztes Lasergeballer ist daher reichlich gesorgt, ebenso für dynamische Kampfszenen mit unüblichen Flugmanövern.
Beschauliches Inselleben
Schon bald stecken die Rebellen in der Klemme. Was, wie in solchen Fällen üblich, ein halsbrecherisches Rettungsmanöver erforderlich macht. Diese Aufgabe übernimmt Finn (angenehm verstört: John Boyega), ein ehemaliger Sturmtruppler, der sich dem Widerstand angeschlossen hat, gemeinsam mit der Rebellen-Maschinistin Rose Tico (Kelly Marie Tran als entwaffnend resoluter Neuzugang), was eine zusätzliche Nebenhandlung auf einem hübsch-korrupten Planeten eröffnet, in der die obligatorische Barszene mit einer eleganten Inszenierungsidee variiert wird.
Im Mittelpunkt steht allerdings die Begegnung von Luke Skywalker und der nachnamenlosen Rey. Diese will etwas von Luke, dem er sich verweigert: Noch einmal zurück in den Kampf, als Jedi den Widerstand unterstützen. Er hat seine Gründe. Optisch liefert dieser Handlungsstrang einige der beglückendsten Szenen des Films, mit einer Vielzahl von liebevoll gestalteten Gimmicks.
So herrscht auf Lukes Insel noch der schroff-anheimelnde Zauber des Urtümlichen. Die Eingeborenen sind reptilienartige Wesen in Nonnengewändern, dienstbare „Pfleger“, denen die Unordnung, die Rey mit sich bringt, deutlich zu schaffen macht. Man haust in igluförmigen Steinhäuschen, die an die weltkulturerbegeschützten Trulli in Apulien denken lassen. Zur Fauna gehören putzige Eulen, Porgs genannt, mit kindchenschemagemäßen Kulleraugen und gutmütige Riesenviecher, die sogar Milch geben. Kein Wunder, dass Luke da nicht so schnell wieder wegwill.
Zwischen Neugier und Angst
Daisy Ridley, die schon in Episode sieben die Hauptrolle spielte, kann ihrer Figur neben der nötigen Entschlossenheit diesmal einige Facetten hinzufügen. Rey changiert immer wieder zwischen Neugier und Angst, entdeckt an sich Seiten, die sie gar nicht kennenlernen wollte. Wie es allen ergeht, die sich in die Nähe der Macht der Jedi begeben. Und in einer visuell wie akustisch höchst erfindungsreichen Szene kann sie sich selbst in ihrer eigenen „Echokammer“ bespiegeln.
„Star Wars: Die letzten Jedi“. Regie: Rian Johnson. Mit Daisy Ridley, John Boyega u. a., USA 2017, 152 Min.
Das „Böse“, das bei Star Wars oft in ambivalenter Gestalt in Erscheinung tritt, verkörpert neben dem bitterbösen Snoke weiterhin Kylo Ren, im Star-Wars-Figurenreigen der designierte Nachfolger Darth Vaders bis hin zur Maske, die er trägt. Adam Driver zeigt als Kylo Ren im Unterschied zu Darth Vader jedoch deutlich mehr Gesicht. Und Kylo Ren will seinen Einfluss auf den Widerstand nicht bloß mit Waffengewalt geltend machen. Auch hier soll nicht zu viel verraten werden. So viel bloß sei gesagt: Er denkt bei Machtfragen in größeren Zusammenhängen.
Dass Adam Driver nicht so richtig böse auftritt, sondern eher als ein Getriebener, den Trauer und Enttäuschung antreiben, macht seine Figur einerseits interessant, andererseits irritiert der fehlende finstere Zug an ihm. Kylo Ren wirkt wie ein großer Junge, der trotzig auf seiner Auflehnung gegen die Elterngeneration besteht: Mit seinem Laserschwert ermordete er in Episode sieben seinen eigenen Vater Han Solo, womit nicht nur Harrison Ford als Darsteller aus dem Rennen ist, sondern auch das Saga-interne Familiendrama in eine neue Richtung gedreht wurde.
Die Brückenfunktion
„Lass das Alte sterben“, lautet Kylo Rens wiederkehrendes Mantra. Das Neue, für das steht er vor allem selbst. Doch seine Figur und die gesamte Handlung demonstrieren in so ziemlich jeder neuen Wendung, die die Geschichte nimmt, dass man im Star-Wars-Kosmos das Alte zum Weiterleben so nötig hat wie Vampire das Blut von Menschen.
Selbst Rey, deutet der Film an, spielt eine spezifische Rolle in diesem verschränkten Familiennetzwerk – zur Erinnerung: Leia Organa und Luke Skywalker sind die Kinder von Darth Vader alias Anakin Skywalker. Aller Wahrscheinlichkeit erfährt man im nächsten Teil, wie die Verwandtschaftsverhältnisse bei Rey geregelt sind. Variation eines bekannten Star-Wars-Motivs. Fast so vertraut wie die nach wie vor leitmotivisch arbeitende Filmmusik des zum festen Inventar zählenden Komponisten John Williams.
Ansonsten übernimmt „Die letzten Jedi“ in vielerlei Hinsicht eine sehr ähnliche Brückenfunktion wie einst „Das Imperium schlägt zurück“ von 1980, der zweite Teil der ursprünglichen Trilogie. Wieder gilt es, für Jedi-Nachwuchs zu sorgen. Und selbst bei den Orten des Geschehens kommt es zu einem Wiedersehen. Wobei die Handlung mitunter etwas auf der Stelle tritt. Gerade in den eigentlich zentralen Szenen auf der Insel, allen reizvollen Einfällen zum Trotz.
Die Jedi sind nicht am Ende
Als dramaturgisches Hilfsmittel setzt Rian Johnson auf behutsam dosierte Selbstironie. Was sich auch bei den unzähligen Rückverweisen auf die klassische Vorgeschichte als nützlich erweist. Besonders bei der Einführung von Gaststars wie Laura Dern oder Benicio del Toro gelingen Johnson ein paar Überraschungen mit echter Situationskomik. In den Dialogen ist es dafür manchmal ein bisschen viel des Insider-affinen Augenzwinkerns. Mehr davon sollte in Zukunft besser nicht sein, selbst wenn es sich bei den Sachzwängen, die so ein Unternehmen den Regisseuren auferlegt, schwierig gestalten mag.
Die Jedi sind in diesem Film jedenfalls noch nicht am Ende. Ihre übermenschlichen Fähigkeiten, die sie dank der Aneignung der „Macht“ haben, erläutert diesmal der abgeklärte Luke Skywalker: „Bei der Macht geht es nicht darum, Steine hochzuheben“, wird er in seiner Eigenschaft als Jedi-Lehrmeister sagen. Eine hilfreiche Lektion, wie sich später herausstellt.
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