Stanislaw Petrow verhinderte Atomkrieg: Weltretter am Startknopf
Er drückte nicht den „roten Knopf“ für den Atomschlag und schrieb damit Geschichte: 30 Jahre später erhält Stanislaw Petrow dafür eine Auszeichnung.
Zwei Schicksalsminuten entschieden kurz nach Mitternacht am 26. September 1983 darüber, ob es einen Atomkrieg der Supermächte geben würde. Quälende Minuten der Entscheidung für Oberstleutnant und Ingenieur Stanislaw Petrow. Die Verbindung aus der 80 Kilometer von Moskau entfernten Kommandozentrale zu den sowjetischen Spionagesatelliten funktionierte nach Überprüfung einwandfrei. Und die hatten soeben den Start einer amerikanischen Atomrakete gemeldet.
Petrow drückte nicht auf den ominösen roten Knopf, um einen atomaren Gegenschlag auszulösen. Nach zwei Minuten meldete er dem Generalstab einen Fehlalarm.
Für diese erst zehn Jahre später bekannt gewordene Entscheidung erhält er an diesem Sonntag in der Semperoper den mit 25.000 Euro dotierten Dresden-Preis 2013 der „Friends of Dresden“, einer von Nobelpreisträger Günter Blobel gegründeten deutsch-amerikanischen Vereinigung.
„Ich wollte nicht schuld sein am Dritten Weltkrieg“, sagt der 73-Jährige, dem der Rummel um seine Person peinlich zu sein scheint. „Wahrscheinlich hätte ein Militär an meiner Stelle anders entschieden“, fügt er hinzu.
Gesundes Misstrauen
Das gesunde Misstrauen des Technikers trug sicherlich zu Petrows Verstoß gegen die Vorschriften bei. Denn weitere vier Raketenalarme folgten. Später stellten sie sich als seltene Konstellation im Zusammenhang mit der Tag-und-Nacht-Grenze heraus, als Lichtblitze, die die Satelliten fehlinterpretierten.
Der Oberstleutnant musste die Rüge einer Untersuchungskommission wegen unzureichender Protokollführung hinnehmen. In welch aufgeheizter Atmosphäre er seine Entscheidung traf, ist im Bewusstsein der Menschheit schon fast vergessen.
Im März 1983 hatte US-Präsident Ronald Reagan seine Star-Wars-Rede gehalten und das Abwehrsystem SDI angekündigt. Weltweit wuchs die Angst vor einem Atomkrieg. In Deutschland gab es Massenproteste gegen die Stationierung der Pershing-Raketen, in der DDR wuchs die Friedensbewegung.
Kinozuschauer sahen in dem Film „WarGames“ die spiegelbildliche Horrorvision jenes Vorgangs in der sowjetischen Kommandozentrale. Doch Stanislaw Petrow habe seine Verantwortung nicht an andere abgegeben und als Mensch entschieden, würdigt Nobelpreisträger Blobel den Preisträger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei