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■ StandbildBeige Vertäfelung

„Bayern Live – Urteilsverkündung des BVG“, Di., 10 Uhr, BR

Die Erwartungen im Vorfeld waren angeheizt. Zum ersten Mal durften Kameras live ins höchste deutsche Gericht. Doch spätestens nach zwei Minuten wurde einem ganz übel – vor Konzentration. „Bundesstaatliche Kompetenzenordnung, konkurrierende Gesetzgebung, Rechtsordnung der Länder“ – das alles packte Verfassungsrichter Hans Jürgen Papier in einen Satz. Wer konnte das verstehen? Die eigentliche Frage: „Ist die bayerische Sonderregelung zur Abtreibung nun vom Tisch?“, blieb für den Laienzuschauer unergründlich.

Gleich drei Fernsehsender, Phoenix, n-tv und der Bayerische Rundfunk, übertrugen die Urteilsverkündung zum bayerischen Abtreibungsrecht. Schließlich waren ihnen in den letzten Jahren schon die Haschisch-, „Soldaten sind Mörder“- und Kruzifix-Urteile entgangen. Und jetzt, da mit der TV-Premiere ein Tabu gebrochen war, hofften sie, daß das auch den Zuschauer nicht kalt lasse. Der wiederum hoffte auf ein Medienspektakel amerikanischen Formats – die Bilder vom Simpson-Prozeß noch im Kopf.

Statt einer dramatischen Inszenierung fraß sich jedoch bloß das Bild der sechs Richter und Richterinnen in die Mattscheibe. Vergeblich suchten die Augen nach liebevollen Details. Aber allenfalls das Rot der Roben erhellte die Eintönigkeit. Der Rest war so langweilig wie die beige Vertäfelung des Bundesverfassungsgerichts im Hintergrund. Und bald schon sehnte man sich nach der Zusammenfassung im Anschluß an die 30minütige Übertragung. Hier endlich fiel dann auch der erlösende Satz: „Die bayerische Sonderregelung zur Abtreibung verstößt gegen das Bundesgesetz.“ – Na also, das reicht doch! Tina Hüttl

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