Städtepartnerschaft Berlin-Windhuk: „Keine offiziellen Aktivitäten mehr“
Die Partnerschaft mit Namibias Hauptstadt existiert nur auf dem Papier, sagt der Grüne Sebastian Walter. Dabei wäre sie wichtig zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte.
taz: Herr Walter, seit dem Jahr 2000 hat Berlin eine Städtepartnerschaft mit Windhuk, der Hauptstadt Namibias. Sie haben beim Senat nachgefragt, was in dem Rahmen so passiert. Und?
Sebastian Walter: Das Thema „koloniale Aufarbeitung“ ist ja für die Koalition ein sehr wichtiges. Wir haben daher auch vereinbart, dass uns diese Städtepartnerschaft im Hinblick auf die gemeinsame koloniale Vergangenheit und die historische Aufarbeitung von ganz besonderer Bedeutung ist. Leider ist aber festzustellen, dass seit 2012 in diesem Bereich keine offiziellen Aktivitäten mehr passiert sind.
Was ist denn da normalerweise üblich?
Im Rahmen solcher Städtepartnerschaften gibt es ja zum Beispiel Delegationsbesuche, einen offiziellen Austausch, verschiedene Programme, beispielsweise Schulpartnerschaften, Schüleraustausche und so weiter – in allen gesellschaftlichen Bereichen. Aber die müssen offiziell angestoßen und vermittelt werden. Und da muss man sagen, dass diese Städtepartnerschaft eingeschlafen ist.
Sebastian Walter,39, ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Abgeordnetenhaus, Sprecher für Antidiskriminierung, Queerpolitik und Haushalt.
Das hat sich unter Rot-Rot-Grün nicht geändert?
Leider stellt sich das so dar, dass die Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters, die dafür zuständig ist, zwar viel Offenheit zeigt für die Zukunft. Aber die letzten zwei Jahre wurden nicht genutzt, um die Städtepartnerschaft im Geiste dieser historischen Verantwortung Berlins wiederzubeleben und vor allem weiterzuentwickeln.
Man könnte ja meinen, dass Städtepartnerschaften ohnehin eher vom zivilgesellschaftlichen Engagement leben. Ist denn da etwas passiert?
Es gibt ein paar zivilgesellschaftliche Organisationen, die in der Sache unterwegs sind. Zum Teil stellt sich aber die Frage, ob sie wirklich auf Augenhöhe arbeiten. Ich will nichts schlecht reden, aber wir haben zum Beispiel die Antwort bekommen, dass sich eine Stiftung gegen das Aussterben von „Buschleuten“ engagiere. Eigenbezeichnung oder nicht – da fragt man sich schon, ob das die Zusammenarbeit ist, die man sich wünscht in Sinne dekolonialer Perspektiven.
Sie meinen, weil man „Buschleute“ heute nicht mehr sagt?
Die Frage ist doch, was für Selbst- und Fremdbilder wir im Kontext der Städtepartnerschaft bisher produziert haben. Wenn die wenigen Maßnahmen, die es gibt, mehrheitlich exotisierende Menschendarstellungen befördern und dem Kampf gegen Aids gewidmet sind, ist das gelinde gesagt problematisch. Damit leisten wir einem Afrikabild Vorschub, dass von Elend, Krankheit und Rückständigkeit gezeichnet ist. Eine Städtepartnerschaft sollte aber idealerweise den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch fördern und Begegnungen auf Augenhöhe schaffen – und im Falle von Windhuk natürlich besonders die geteilte Kolonialgeschichte multiperspektivisch erinnern und aufarbeiten. Das geschieht, Stand heute, nicht.
Es ist ja für Städte nicht einfach, dieses Riesen-Thema Kolonialismus aufzuarbeiten. Was könnte denn Berlin hier überhaupt machen?
Es gab ja im Sommer den Besuch einer Delegation aus Namibia, bei dem sich der Senat zum ersten Mal offiziell entschuldigt hat für den Völkermord an den Herero und Nama.
Sie meinen die Delegation, die zur Rückgabe von Gebeinen gekommen war und bei der sich Justizsenator Dirk Behrendt für den Völkermord an den Herero und Nama entschuldigt hat – im Gegensatz zur Bundesregierung?
Genau. Das war ein wichtiges Zeichen, aber das muss jetzt weitergehen. Wir Grüne fordern schon lange ein gesamtstädtisches Erinnerungskonzept und sind da gerade in der Abstimmung mit den Koalitionspartnern. Was die Städtepartnerschaft angeht, wäre unser Wunsch, dass das 20-jährige Jubiläum im Jahr 2020 genutzt wird, einen richtigen Aufschlag zu machen, und sich mit Windhuk auszutauschen, welche gemeinsamen Projekte man mit Bezug auf die Kolonialzeit und die Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit angehen kann. Zum Beispiel, was Fragen der Restitution von kulturellen Gütern und Gebeinen angeht, die noch in hiesigen Museen und Archiven vorhanden sind. All das könnte im Rahmen einer Städtepartnerschaft sehr fruchtbar behandelt werden.
Was beinhaltet das geplante gesamtstädtische Erinnerungskonzept?
Es haben sich ja schon einzelne Bezirke und Museen auf den Weg gemacht, sich mit ihrer Geschichte zu befassen. Denken Sie etwa an den Beschluss von Mitte zur Umbenennung von Straßennamen im Afrikanischen Viertel. Aber es gibt keine übergreifende Idee, wie sich Berlin im Ganzen mit seiner kolonialen Vergangenheit auseinandersetzt. Dazu gehört, dass man sich die Sammlungen in Museen anguckt. Aber wir wollen auch, das den SchülerInnen das Thema deutscher Kolonialismus mehr im Unterricht vermittelt wird. Und wir brauchen endlich mit dem Bund ein Denkmal, was schon sehr lange von der Zivilgesellschaft eingefordert wird. Wichtig bei all dem ist, dass Berlin das nicht allein macht, sondern gemeinsam mit den vielen Initiativen, die sich damit schon lange befassen.
Sie meinen hiesige Gruppen wie Berlin Postkolonial?
Auch. Aber zivilgesellschaftliche VertreterInnen aus den ehemaligen Kolonien sollen ebenfalls einbezogen werden. Damit wir nicht den Fehler wiederholen, über Menschen zu sprechen, sondern die Themen gemeinsam bearbeiten. Im Kleinen scheitert das ja oft schon daran, dass Menschen aus Namibia nicht hier einreisen können, um in den Museen die Sachen ihrer Vorfahren anzusehen. Da kann man vieles vereinfachen, viel mehr kooperieren und besser zusammen arbeiten. Und dann auch über Restitution sprechen.
Zurück zur Städtepartnerschaft: Wissen Sie, was die Windhuker davon halten? Ist denen das Ganze nicht vielleicht schnuppe?
Ich weiß es nicht, kann mir aber nicht vorstellen, dass sie mit dem aktuellen Zustand zufrieden sind. Aber das wäre der nächste Schritt: dass die Senatskanzlei mal fragen müsste, was der Bedarf von Windhuk ist und wie die Städtepartnerschaft gemeinsam mit Leben gefüllt werden kann.
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