Stadtentwicklung: Tempelhof in Bürgerhand
Die Initiativgruppe Tempelhof stellt sich für das Flughafengebäude ein Nachhaltigkeitslabor für Umwelt, Bildung, Demokratie und Friedensförderung vor
Der Flughafen BER ist ein endloses Desaster. Auf Tegel fliegen nur noch die FDP und die CDU – zumindest teilweise. Das ehemalige Tempelhofer Terminalgebäude dagegen erfreut sich wachsender Aufmerksamkeit und ist Projektionsfläche für Nutzungsideen.
Am Mittwoch präsentierte die neue „Initiativgruppe Tempelhof“ ihren „Bürgerplan zum Tempelhofer Flughafengebäude“ der Öffentlichkeit. Die Aktivisten schlagen vor, das bis dato größtenteils leerstehende Gebäude als „Experimentier-, Praxis-, Lern-, Bildungs- und Forschungsort für eine zukunftsfähige Stadtstruktur und Lebensweise zu nutzen“, wie die Journalistin Annette Jensen und der Projektentwickler Stefan Schridde, beide Mitglieder der Initiative, betonten.
Tempelhof sei wegen seiner räumlichen Größe und mit seinen umfangreichen Potenzialen der ideale Ort in der Stadt, „um hier ein gemeinwohlorientiertes Reallabor“ auf den vielen freien Flächen, in den Hallen und Hangars zu entwickeln. Mit sozialen und politischen Gruppen, jungen Unternehmen, den Berliner BürgerInnen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, internationalen Institutionen und Netzwerken soll dieses „Reallabor“ jetzt auf den Weg gebracht werden, so Jensen und Schridde weiter. Die Initiative plane, eine Bürgerstiftung zu gründen, um die inhaltlichen und wirtschaftlichen Ziele koordinieren zu können. Das Projekt bilde nach dem Volksentscheid 2014 zudem einen weiteren Schritt, das Gelände den Bürgern zurückzugeben.
Zuletzt hatten die Volksbühne ihr „Satelliten-Theaterprojekt“, Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) die „Dachgalerie“ sowie das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors seine Ausstellungspläne über NS-Zeit des Ortes in Tempelhof vorgestellt. Außerdem dient das 300.000 Quadratmeter große Areal derzeit als Flüchtlingsunterkunft mit Tempohomes.
„Stadtquartier der Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“
Doch im Unterschied zu den Nutzungsabsichten des Senats oder der Kultureinrichtungen sollen sich die komplexen Bürger-Pläne mehrheitlich an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, innovativen Lebens- und Stadtkonzepten und neuen Vorstellungen partizipatorischer Prozesse und Instrumente orientieren, sagte Marie Faust. „Projekte und Betriebe, die sich etwa um die Fragen der Ernährung, Gesundheit, Demokratie und Friedensförderung kümmern, sollen hier Räume beziehen.“ Zudem könnten neuartige Bildungseinrichtungen in das Gebäude integriert werden.
Trotzdem werde das neue Tempelhof in Bürgerhand nicht die Kultur ausschließen, sondern verstehe sich als Erweiterung des Senats-Leitbildes „Stadtquartier der Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“, wie Schridde ergänzte. Ellis Huber, langjähriger Berliner Ärztekammerpräsident und heute Vizevorstand des Paritätischen Verbandes Berlin, verwies schließlich – etwas sehr pathetisch – auf die hohe Symbolik des Ortes: „Hier rettete die Welt Berlin. Jetzt kann Berlin eine Brücke zu den Menschen der Welt von hier aus bauen.“ Huber ist ebenfalls Mitglied der Initiativgruppe Tempelhof.
Ein wenig Luft aus dem visionären Ansinnen nahm am Mittwoch jedoch Jutta Heim-Wenzler, Geschäftsführerin der landeseigenen Tempelhof Projekt GmbH, die das Tempelhofer Areal verwaltet. Die Projekt GmbH habe der Initiative zwar Räume zur Miete angeboten und sehe das Vorhaben positiv. Gleichwohl würden die Planungen des Senats, hier einen „Mietermix“ zu etablieren und ein Kreativquartier zu entwickeln nicht aufgegeben. Man werde sehen, wo es Schnittmengen gibt.
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