Stadionunglück in Indonesien: Das Scheiß-Game must go on
Nach der Stadionkatastrophe in Indonesien versichert die Fifa eilfertig, dass die U20-WM 2023 wie geplant dort stattfinden kann. Warum eigentlich?
S oll sich Indonesien jetzt freuen? „Der indonesische Fußball wird Gott sei Dank nicht von der Fifa sanktioniert“, verkündete Staatspräsident Joko Widodo vor wenigen Tagen erleichtert. Weitere wenige Tage zuvor waren bei der größten Stadionkatastrophe der vergangenen 50 Jahre 133 Menschen getötet worden, darunter mindestens 32 Kinder. 547 Menschen wurden teils schwer verletzt.
Die Katastrophe geschah bei einem als normal und ungefährlich eingeschätzten Erstligaspiel. Das Heimteam des Arema FC empfing nur die Spieler, nicht die Fans, des Persebaya Surabayaim Stadion von Malang in Ostjava. Weil der indonesische Fußball ohnehin ein Gewaltproblem hat, waren Auswärtsfans nicht zugelassen, und das Gästeteam reiste, auch das trauriger Usus, in gepanzerten Bussen an.
Als Faktoren, die zur Katastrophe führten, können gelten: Im für 38.000 Zuschauer angelegten Stadion waren 42.000; in der Arena waren nur vier Sanitäter; die Stadionzugänge sind viel zu schmal angelegt, im Normalfall können sie nur von zwei Menschen gleichzeitig passiert werden. Einen der wichtigsten Faktoren, um das Stadion plötzlich zur Hölle zu verwandeln, trug die Polizei bei: Nicht nur, dass sie überhaupt das in Stadien in jeder Form verbotene Tränengas einsetzte, nein, es war auch eine längst abgelaufene und damit deutlich giftiger gewordene Substanz, und: Die Polizisten verschossen das Tränengaus aus nächster Nähe. Die Obduktion einiger Toter ergab, dass sie von Tränengaspatronen getroffen wurden.
Welch ein Glück, dass sich der Weltfußballverband Fifa beeilt hat – nachdem pflichtschuldigst der Textbaustein betr. Kondolenz aktiviert worden war („Die Fußballwelt ist zutiefst schockiert“) –, zu versichern, dass die U20-WM der Männer im Jahr 2023 in Indonesien stattfinden wird, das ursprünglich für 2021 vorgesehene Turnier war wegen Covid-19 abgesagt worden. Und der Staatspräsident versprach persönlich, dass jedes größere Fußballstadion im Land neu zertifiziert wird. Außerdem erhalten die Opferfamilien jeweils umgerechnet 3.300 Dollar.
Reiche Fußballkultur
Was treibt die Fifa dazu, bürokratisch über eine solche Katastrophe hinwegzugehen? Korruption? Das ist immer möglich, aber im konkreten Fall nicht wahrscheinlich. Fußball ist in Indonesien noch aus Kolonialzeiten populär. 1938 nahm es als Niederländisch-Indien bei der WM im faschistischen Italien teil, als einziges Team aus Asien. Mehr internationale Erfolge folgten nicht, die Nationalelf liegt derzeit auf Platz 152 der Weltrangliste. Das Frauenteam ist mit Platz 94 auch nicht wesentlich erfolgreicher.
Reiche Fußballkultur und mangelnde Erfolge, das sorgt oft für das Aufkommen gewalttätiger Fanszenen, deren Anteil am Gesamtzuschaueraufkommen relativ stärker wird. Diese Ausgangslage lässt zudem immer mehr Begehrlichkeiten aufkommen, dass man doch mit dem Fußball seiner Liga, „etwas machen“ müsse. Private Fernsehsender, Sportwettenanbieter und ähnlich halbseidene Branchen investieren in die Liga, um viel herauszuholen. Stadionsicherheit und Faninteressen stören da nur.
Hier kommt die Fifa ins Spiel, die ein großes Interesse daran hat, mit ihrem wertvollen Exportgut Fußball möglichst viele neue Märkte zu erschließen. Schaut man sich die Ausrichter vergangener U20-WMs an, wird klar, dass ein solch niederschwelliges Turnier, das noch nicht die ganz große Fifa-World-Cup-Bühne braucht, vor allem an Länder vergeben wird, in der sich Fifa einen Fußballboom erhofft: 2015 Neuseeland, 2011 Kolumbien, 2009 Ägypten, 2007 Kanada, 2003 Vereinigte Arabische Emirate, 1999 Nigeria, 1997 Malaysia, und 1995 wurde in Katar der Probeballon gestartet, der in diesem Winter zum ganz großen Fifa-Event führt.
Es geht um neue Märkte und da darf man sich nicht zu lange mit den 133 Toten von Malang aufhalten. Die Liga geht weiter, am 14. Oktober spielt Arema FC gegen Persis Solo, freilich vor leeren Tribünen. Aber alle Fans wären eh nicht gekommen.
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