Staatssymbole in Belarus: Ein wenig renoviert
Seit Jahresbeginn gibt es ein neues Wappen. Wie unterscheidet es sich von dem alten? Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 50.
E rste Pläne für eine Veränderung des Wappens verlauteten bereits im Februar vergangenen Jahres. Es hieß, die Symbolik müsse korrigiert werden, und im Internet tauchte eine mögliche Variante des neuen Wappens auf.
Jetzt ist das Wappen offiziell. Es gab keine breite gesellschaftliche Diskussion, auch Experten für Wappenkunde ließen sich über verschiedene Varianten nicht öffentlich aus.
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Die Belarussen haben ein historisches Wappen (“Pogonja“, aus dem Jahr 1918, Anm. d. Red.) des Großherzogtums Litauen in Form eines Schildes, das einen Reiter mit einem Schwert zu Pferde darstellt. Übrigens galt dieses Wappen offiziell auch in den Jahren 1991 bis 1995.
Doch nachdem Alexander Lukaschenko Präsident geworden war (1994, Anm. d. Red.), leitete er einen Prozess ein, um die staatlichen Symbole zu verändern. Und wir bekamen ein Wappen, dass dem aus Sowjetzeiten – genannt „Trauerkranz“ sehr ähnlich sah.
ist 45 Jahre alt und lebt und arbeitet in Minsk. Das Lebensmotto: Ich mag es zu beobachten, zuzuhören, zu fühlen, zu berühren und zu riechen. Über Themen schreiben, die provozieren. Wegen der aktuellen Situation erscheinen Belarus' Beiträge unter Pseudonym.
In dieser Komposition, so wie in dem Kinderspiel „Finde fünf Unterschiede!“, gab es einige wenige Neuerungen: Weniger Sterne, Hammer und Sichel waren aus der Mitte verschwunden – genauso wie die Slogans. Der Kranz war nicht von einem roten, sondern einem rot-grünen Band umrundet. Doch nach einigen Jahrzehnten beschloss das Justizministerium, auch dieses Bild etwas abzuwandeln. Wenn man nicht beide Wappen gleichzeitig betrachtet, entdecken nur Insider die Unterschiede.
Die Kontur des Landes ist jetzt in Gold anstatt Grün gezeichnet, auch die Formen von Ähren, Kleeblättern und Flachs haben sich geändert. Die Farbe der Kontinente ist jetzt nicht mehr Blau, sondern Dunkelorange. Der Erdball hat sich etwas gedreht. Jetzt sieht man auch den Teil Europas, wo sich Belarus befindet.
Das „kosmetische“ Dekor des neuen Wappens personifiziert das, was Lukaschenko 26 Jahre in Politik und Wirtschaft versucht hat: etwas verändern und dabei nichts zu verändern.
Dazu kommt, dass das eine schöne Art und Weise ist, mit dem Staatshaushalt sein Unwesen zu treiben und sich die eigenen Taschen zu füllen. Denn irgendjemand hat doch die millionenschwere Ausschreibung gewonnen, oder etwa nicht?
Jetzt werden staatliche Betriebe damit beauftragt, sowohl das Wappen als auch auch offizielle Dokumente und Stempel zu ändern. Das kostet wieder Geld….Und wieder die Tasche…..
Dabei sieht das belarussische Volk, das Veränderungen will, die weiß-rote Pogonja von 1918 als sein Wappen an. Mit Bildern davon gehen die Menschen zu Solidaritätsaktionen.
Die gefakten Veränderungen der nationalen Symbolik werden mit Sarkasmus kommentiert: „Anstelle eines Kranzes hätten sie Stacheldraht zeichnen sollen.“ „Mir gefällt das nicht. Die schnurrbärtige Schnauze im goldenen Rahmen in der Mitte ist zu bescheiden geraten.“ „Ich denke, dass sich das Volk in den vergangenen Monaten selbst für eine Flagge und ein Wappen entschieden hat...Es lebe Belarus!“
Aus dem Russischen Barbara Oertel
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