piwik no script img

Staatssekretär zum H2-Projekt in Namibia„Mehr als genug Platz für Pflanzen und Windparks“

Deutschland will in Namibia Wasserstoff produzieren, um die eigene Wirtschaft zu dekarbonisieren. Vor Ort ist das umstritten. Gibt es eine Lösung? Fragen an Staatssekretär Jochen Flasbarth.

Auf der Haifischinsel vor Lüderitz unterhielt die deutsche Kolonialmacht ein Vernichtungslager: Blick auf die heutige Stadt Foto: O. Protze/imago
Hannes Koch
Interview von Hannes Koch

taz: Ein Firmenkonsortium unter deutscher Beteiligung will in Namibia an der Südwestküste Afrikas grünen Wasserstoff produzieren. Umweltorganisationen kritisieren die möglichen ökologischen Auswirkungen. Was halten Sie von den Gegenargumenten, Herr Flasbarth?

Jochen Flasbarth: Ich habe mich beruflich lange mit Natur- und Umweltschutz beschäftigt. Nutzungskonflikte zwischen Klima- und Naturschutz gibt es häufiger. Aber sie lassen sich meistens lösen, wenn man miteinander konstruktiv spricht und die notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfungen gut macht.

taz: Nach Angaben der namibischen Regierung beheimatet der Tsau-||Khaeb-Nationalpark wertvolle Biotope seltener Pflanzen, die es nur dort gibt. Eignet sich eine solche Region für den Bau großer Industrieanlagen?

Flasbarth: Kürzlich habe ich das Gebiet besucht. Der Nationalpark ist riesig, nur etwas kleiner als das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Deshalb kann man gleichzeitig die Vorkommen seltener Pflanzen schützen und trotzdem mehr als genug Platz für Windparks und Photovoltaikanlagen finden.

Bild: Foto: H. Scherhaufer/imago
Im Interview: Jochen Flasbarth

62, ist Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

taz: Es geht nicht nur um hunderte Windräder und große Solaranlagen, sondern auch um Stromleitungen, eine Anlage zur Entsalzung von Meerwasser, Pipelines, Elektrolyseure, die mit Ökostrom Wasserstoff erzeugen, eine Ammoniakfabrik, die das Gas besser transportierbar macht, und einen neuen Hafen südlich der Stadt Lüderitz.

Flasbarth: Mein Eindruck von vor Ort war, dass sich das miteinander vereinbaren lässt, wenn man es richtig angeht. Aber entscheiden werden darüber die namibischen Behörden, die auch für die Bewertung der Umweltverträglichkeitsprüfung zuständig sind.

taz: Bis 1915 war Namibia die deutsche Kolonie Südwestafrika. Damals wurde das Projektgebiet abgesperrt, weil man Diamanten gefunden hatte. Lebt dort heute jemand?

Flasbarth: Lüderitz ist eine kleine Hafenstadt mit etwa 20.000 Einwohnern. Südlich davon gibt es weder Siedlungen noch Straßen. Man sieht viel Sand, Steine und vom Diamanten-Abbau durchwühlte Flächen. Aber klar, es gibt auch die Standorte seltener Pflanzenarten. Nach wie vor ist dieses Gebiet grundsätzlich gesperrt, nur geführte Touristengruppen und von der namibischen Regierung lizenzierte Unternehmen dürfen hinein.

taz: Das Konsortium Hyphen besteht aus der deutschen Firma Enertrag, dem Kapitalinvestor Nicholas Holding und einem namibischen Staatsfonds. Die Unternehmen wollen mit der Ansiedlung Gewinn erzielen. Die Bundesregierung hat Interesse, in einigen Jahren grünen Wasserstoff für die Dekarbonisierung der hiesigen Wirtschaft zu importieren. Aber was hat Namibia von dem Projekt?

Flasbarth: Das ganze Vorhaben beruht auf Plänen, die die Regierung Namibias selbst entwickelt hat. Hyphen hat die internationale Ausschreibung gewonnen. Das Projekt ist für Namibia eine hervorragende Chance, neue Jobs zu schaffen und viel mehr Menschen als bisher mit Strom zu versorgen – noch dazu aus umweltfreundlichen Quellen. Heute importiert Namibia den Großteil seiner Elektrizität aus Südafrika, produziert in Kohlekraftwerken.

taz: AktivistInnen aus Namibia bemängeln jedoch, dass ihre Regierung keine Informationen veröffentliche, die den Nutzen des Projekts für das Land belegten.

Flasbarth: Die namibische Regierung hat öffentliche Anhörungen durchgeführt und dargestellt, wie sie grünen Wasserstoff für die Industrialisierung und die Wertschöpfung im Land nutzen will. Sie weiß sehr genau, dass die Hälfte der Bevölkerung bisher noch keinen Zugang zu Elektrizität hat. Und sie will das ändern – was realistisch erscheint. Das Wasserstoffprojekt wird auch überschüssige Energie produzieren, die nicht für die Ammoniakproduktion benötigt wird. Dieser Strom kann in Batterien gespeichert und kostengünstig in ein weiter auszubauendes namibisches Netz eingespeist werden. Der verstorbene Präsident Hage Geingob hatte erkannt, dass sein Land alle Voraussetzungen bietet, Energie aus Wind und Sonne als Rückgrat der eigenen Volkswirtschaft zu entwickeln. Diese Politik kann die Basis bilden für viele neue Arbeitsplätze, nicht nur im Energiesektor, sondern etwa auch in der Fertigung von Roheisen.

taz: Parallel zum Bau der Wasserstoff-Industrie soll auch der Hafen von Lüderitz erweitert werden. Teilweise auf denselben Flächen – auf der Halbinsel Shark Island – errichteten die deutschen Kolonialherren vor 120 Jahren ein Gefangenenlager. Tausende Angehörige der Völker der Nama und Herero wurden dort und bei Zwangsarbeit in der Umgebung getötet. Halten Sie den aktuellen Protest der Nachfahren gegen die Hafenerweiterung für gerechtfertigt?

Flasbarth: Im Zusammenhang mit der Suche nach Öl- und Gasvorkommen im Atlantik existierte der Plan der Hafenerweiterung in Lüderitz schon vor dem Hyphen-Projekt. Der geplante Ausbau des alten Hafens würde Shark Island zwar nicht berühren, läge aber in Sichtweite des ehemaligen Vernichtungslagers. Dieser besondere Ort sollte eine besondere Würdigung erfahren. Wie damit umzugehen ist, muss die namibische Regierung zusammen mit den Betroffenen entscheiden. Die neuen Anlagen, also der neue Hafen Angra Point, liegt ein paar Kilometer von Shark Island entfernt.

taz: Dass auch Baumaterial für das Wasserstoffprojekt im Hafen von Lüderitz angeliefert werden wird, erscheint nicht unwahrscheinlich. Gibt es nicht doch einen Zusammenhang zwischen dem Hafenausbau und der deutschen Investition?

Flasbarth: Mir wurde erklärt, dass die meisten Materialien später in dem neuen Hafen Angra Point westlich von Lüderitz angelandet werden sollen. Insgesamt wird die Region eine Industrialisierung erfahren, die natürlich dann auch mehr Menschen anzieht.

taz: Vertreter der Nama sagen auch, die Deutschen hätten ihren Vorfahren das Sperrgebiet weggenommen und ihnen den Zugang verboten. Bevor nun eine deutsche Firma dort Wind- und Solaranlagen errichte, müssten erst Entschädigungen gezahlt werden.

Flasbarth: Über die Vergabe von Lizenzen zur ökonomischen Nutzung des Tsau-||Khaeb-Nationalparks entscheidet die namibische Regierung. Darüber hinaus gibt es laufende Verhandlungen um Aussöhnung zwischen Namibia und Deutschland, die hoffentlich sehr bald auch neue und selbst gestaltete Perspektiven für die vom Völkermord betroffenen Bevölkerungsgruppen eröffnen werden. Diesen historischen Prozess sollte man getrennt betrachten von einer einzelnen Investitionsentscheidung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Mit dem Geschichtsverlauf im Sinn sollten wir sehr genau darauf achten, dass diesmal alles absolut fair abläuft.

  • Wenn dann die Schiffe mit schweren Diesel die rund 10.000 km Fahrt Wasserstoff nach Deutschland bringen ist die Energie effizienz noch schädlicher.

  • Das deutsche Knowhow ist wohl die wertvollste Form, was wir als Entschuldigungsversuch überreichen können. Nicht zwingend die einzige.



    Wasserstoff so weit zu transportieren kann viel Aufwand erzeugen. Erst mal Namibia selbst mit der Energie stärken.

  • Deutschland sollte die Nama und Herero endlich (nochmal) ordentlich mit Geld entschädigen.



    Ob das mit dem Wasserstoff klappen wird, hängt von vielen Faktoren ab.



    Ich hoffe, es klappt.



    Es ist auf jedenfalls sehr viel sauberer als fossile Brennstoffe, auch schon bei der Gewinnung.

    • @Diogeno:

      "Deutschland sollte die Nama und Herero endlich (nochmal) ordentlich mit Geld entschädigen."



      Die genannten Volksgruppen waren typische Kriegergesellschaften und in viele lokale Kriege und auch als Partner der Kolonialtruppen verwickelt.



      Geben die dann die Entschädigung an ihre alten Feinde auch brav weiter?

  • Ist das Verbrennen deutschen Steuergeldes zur Reinwaschung alter Sünden vor Investitionen eigentlich CO2 neutral?

    Und wenn man die erste Zeile des Liedes des Deutschen ernst nimmt: Was nützt das Projekt Deutschland?

    Im Übrigen: Die namibische Regierung und die Investoren sind die Verhandlungspartner und Entscheider. Wenn das Projekt nützlich ist: Machen!

    • @EIN MANN:

      Es steht Ihnen frei, Fallerslebens Trinklied misszuverstehen oder sich in die Tradition der Rechtsnationalisten zu stellen, die Deutschland gleich zweimal tief in den Morast ritten. Denn so kurzsichtig landet man als Mittelmacht im Morast.



      Denken Sie mal Win-win und globaler, das ist der bundesdeutschen Konstellation deutlich angemessener, nicht nur historisch betrachtet.

  • Mal abgesehen davon das Wassersstoff ein selten dämlicher Energieträger ist, könnten wir doch einfach die Namibische Regierung und die Investoren das aushandeln lassen.



    Die künstliche Belastung einer Wirtschaftsbeziehung mit einer angeblich unbewältigten Vergangenheit führt zu nichts.



    Wenn in dem Projekt auch deutsches Steuergeld als Investitionshilfe oder zur moralischen Selbstreinigung verbrannt werden soll, sollten wir es einfach bleiben lassen.



    Es gibt noch mehr Länder.