Staatsoper Unter den Linden: Der kleine BER macht auf
Nach sieben Jahren Sanierung und vielen Skandalen eröffnet am 3. Oktober die Staatsoper. Es ist trotz allem ein schönes Opernhaus dabei herausgekommen.
Attribute wie „der beste Klangraum“ (Bayreuth) oder „die perfekte Nachhallzeit“ (Oslo, „Met“) sind für Opernhäuser Public Relations pur. Für die Staatsoper Unter den Linden, die nach sieben Jahren Sanierung am 3. Oktober 2017 mit einem musikalischen Staatsakt eröffnet wird, gilt – neben den baulichen und akustischen Besonderheiten – noch ein anderes Alleinstellungsmerkmal: Sie ist das weltweit wohl am häufigsten wiedereröffnete Opernhaus.
Seit der ersten Inbetriebnahme vor 275 Jahren als Königliche Hofoper schreibt fast ein Dutzend weiterer Termine hier quasi eine permanente Eröffnungsgeschichte. Auf den barocken Urbau des Architekten von Knobelsdorff folgten Erweiterungen, Wiederaufbauten nach Bränden und Kriegsschäden sowie Umbauten und Sanierungen – gepaart jeweils mit Neustarts.
Es ist darum symptomatisch und wahrlich kein Witz, dass die Staatsoper nach dem Auftakt am 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit gleich wieder wegen „Restarbeiten“ schließt, um am 7. Dezember ein anderes Mal aufzumachen. Trotzdem hat ganz Berlin gelacht, als die Eröffnungsposse herauskam.
Vielleicht gehört es noch zur Ironie der Geschichte, dass zur Premiere Robert Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“ mit „Zum Augenblicke sagen: Verweile doch!“ in der Regie von Jürgen Flimm und am Pult mit Musikdirektor Daniel Barenboim aufgeführt werden. Dass die Oper endlich mal eine Weile so bleibt, wie sie ist, forever verweilt, ist angesichts der Sanierungszeit von 2010 bis 2017 sicher der Wunsch der halben Stadt, der Mitarbeiter sowieso. Ist doch der Umbau gelungen.
Hans Hoffmann, Technischer Direktor der Staatsoper, führt darum stolz durch ein Opernhaus, das außen in Altrosa und innen in rot-weißen Farben förmlich neu und schick erstrahlt ist. Das Dekor des alten Saals samt seiner drei Ränge wurde kopiert. Aber in das fast originale Abbild nach dem Entwurf von Richard Paulick für den Wiederaufbau in den 1950er Jahren hat das Architekturbüro HG Merz (Stuttgart) viele moderne Details wie etwa die Lüftung, Barrierefreiheiten und verglaste Technik- und Regiebereiche eingebaut. Man sitzt auch bequemer, dank reduzierter 1.356 Plätze.
Am 3. 10. findet mit „Zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Szenen aus Goethes Faust“ die Premiere der wiedereröffneten Staatsoper statt. Schumanns Komposition wird ergänzt durch Schauspielpassagen aus Goethes Drama.
Regie macht Jürgen Flimm, Musik Daniel Barenboim. Das Bühnenbild hat der Maler Markus Lüpertz entworfen. Es singt das Ensemble der Staatsoper.
Der Vorhang geht um 20 Uhr hoch. Die Eröffnungspremiere wird live auf den Bebelplatz übertragen. Am 30. 9. um 17 Uhr findet auf dem Bebelplatz ein Staatsoper-Open-Air-Konzert statt, am 1. Oktober um 11, 13 und 15 Uhr gibt es drei Probenveranstaltungen mit Musik und Literatur im Apollo-Saal der Staatsoper. Der Eintritt ist frei. (rola)
Über dem 3. Balkon – auf dem man einst den Kopf einziehen musste – erhebt sich jetzt die um rund vier Meter erhöhte Saaldecke. Diese neu geschaffene 3.000 Quadratmeter weite „Nachhallgalerie“ sorgt dafür, so Hoffmann, dass mittels des insgesamt vergrößerten Raumvolumens der Schall von der Bühne und aus dem Orchestergraben von mittleren 1,1 auf „optimale“ 1,6 Sekunden verlängert wird.
Natürlich bedeutet die Auftaktpremiere mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel und weiteren Großkopferten nicht nur eine schöne Party zum Wiedereinstieg des Opernbetriebs Unter den Linden. Mit der Eröffnung zum symbolischen Datum wird auch ein ganze Reihe von Schwingungen erzeugt, die die massiven Probleme vergessen machen sollen.
Beim Prestigeprojekt Lindenoper war von Beginn an der Wurm drin. Zu den ursprünglich im Jahr 2010 veranschlagten Kosten in Höhe von 239 Millionen Euro kam ab 2014 fast das Doppelte hinzu. Schlampereien am Bau und Fehlplanungen verteuerten die Staatsoper auf über 400 Millionen Euro.
Verantwortung dafür wollte am Ende niemand tragen: Im „Untersuchungsausschuss Staatsoper“, der 2016 wegen der Kostenexplosionen und der sich um vier Jahre verzögerten Fertigstellung des „kleinen BER“, wie die Chose getauft wurde, einberufen worden war, wies etwa der frühere Regierungschef Klaus Wowereit die Vorhaltungen cool zurück: Alle Baumaßnahmen seien von den Behörden beziehungsweise den Haushältern unter die Lupe genommen worden. Mehrkosten? Geschenkt. Wowereit: „Das schien uns vertretbar.“
Immerhin, es gibt Einsichten: Wenn im Dezember der reguläre Spielbetrieb mit „Hänsel und Gretel“, „La Bohème“ und „L’incoronazione di Poppea“ startet, sollen die zusätzlichen Investitionen der Generalsanierung nicht auf die Opernbesucher abgewälzt werden. Die Eintrittspreise würden stabil bleiben, verspricht Kultursenator Klaus Lederer. Ist nach der Wiedereröffnung Bescheidenheit angesagt? Wohl kaum. Angesichts der recht üppigen Ticketpreise und der hohen Subventionen bleibt die Staatsoper ein schönes, aber teures Pflaster.
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