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Sprit aus StromÖkodiesel, ein leeres Versprechen

Sunfire stellt Treibstoff aus Wasser, Kohlendioxid und Strom her. Klingt revolutionär, ist aber technisch nicht neu und macht ökologisch selten Sinn.

Power-to-Liquid: Pilotanlage von Sunfire Foto: dpa

Freiburg taz | Die Firma Sunfire nennt ihr Verfahren „revolutionär“. In einer Anlage in Dresden seien jüngst „mehr als drei Tonnen des synthetischen Erdölsubstituts Blue Crude“ produziert worden. Damit sei „ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur industriellen Kommerzialisierung gelungen“, sagt Sunfire-Mitbegründer Nils Aldag. Man habe einen „CO2-neutralen ­Erdölersatz“ geschaffen, der „massiv zur Erreichung der Klimaschutzziele beitragen“ könne.

Es sind große Worte, die einer genaueren Betrachtung bedürfen. Die Firma erzeugt einen synthetischen Kraftstoff aus CO2 und Wasser, was aus Sicht der Chemie wenig spektakulär ist: Unter Einsatz von Strom wird per Elektrolyse Wasser in seine chemischen Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt; aus dem Wasserstoff und aus zugeführtem CO2 werden dann flüssige Kohlenwasserstoffe synthetisiert – also Treibstoff.

Aber ist das Verfahren wirklich „CO2-neutral“? Am Lehrstuhl für Bauphysik der Universität Stuttgart wurde das Sunfire-Konzept bereits im Oktober 2015 aus Klimasicht bilanziert. Das Fazit ist wenig überraschend: Es kommt auf den eingesetzten Strom an. Verwendet man den deutschen Strommix, so seien „deutliche Mehremissionen gegenüber fossilem Diesel gegeben“. Nur wenn ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien verwendet wird, sei „ein deutlicher Vorteil des synthetischen Diesels gegenüber fossilem Diesel gegeben“.

Ökostrom rein, passt

Aber das ist natürlich eine Plattitüde. Denn jeder Prozess der Energieumwandlung, und sei er noch so ineffizient, lässt sich klimafreundlich rechnen, wenn man vorne Ökostrom reinsteckt, den man als CO2-frei bilanziert.

Die relevante Frage ist daher eine andere: Weil jede Kilowattstunde Ökostrom bekanntlich nur einmal genutzt werden kann (und die Potenziale der Erzeugung durchaus limitiert sind), sollte die Energie dort eingesetzt werden, wo sie die größte Menge an CO2 vermeidet. Und das ist eher nicht die Kraftstoffgewinnung.

Aus Klimaperspektive steht die Substituierung von Kohlestrom ganz vorne. Jede Kilowattstunde Ökostrom, die Braunkohlestrom ersetzt, erspart der Atmosphäre rund 1.000 Gramm CO2. Wird die Kilowattstunde Ökostrom hingegen genutzt, um nach dem Sunfire-Verfahren Diesel zu synthetisieren, vermeidet sie bestenfalls 160 Gramm. Denn 16,7 Kilowattstunden Strom werden für die Erzeugung von einem Liter Blue Crude benötigt, der wiederum 2,6 Kilogramm CO2 aus fossilem Diesel überflüssig macht.

Mit deutschem Strom hat Blue Crude ­deutliche Mehr­emissionen gegenüber fossilem Diesel

Nun kann man die Dieselerzeugung natürlich auf jene Stunden des Jahres beschränken, in denen so viel Ökostrom im Netz vorhanden ist, dass er partout nicht anderweitig nutzbar ist. Dann wäre die Ökobilanz in der Tat gut. Aber das Verfahren würde damit noch unwirtschaftlicher, als es ohnehin schon ist, weil die Fixkosten der Anlage nicht mehr auf 8.000 Stunden im Jahr umgelegt werden können (was quasi einem Dauerbetrieb entspricht), sondern auf einen Bruchteil dessen.

Wie weit man mit diesem Verfahren von der Wirtschaftlichkeit entfernt ist, zeigen Pläne zum Bau einer Anlage, die Sunfire vergangene Woche als „erste kommerzielle Blue-Crude-Produktion“ ankündigte.

Motorenbauer lieben Synthetisches

Im norwegischen Industriepark Herøya hofft die Firma, ab 2020 in einer Anlage mit einer elektrischen Leistung von 20 Megawatt den synthetischen Kraftstoff für „unter 2 Euro“ pro Liter erzeugen zu können. Hingegen kostet fossiler Diesel aktuell rund 35 Cent je Liter (ohne Steuern und Kosten für Transport und Lagerung, die ja auch für Blue Crude noch zusätzlich anfallen).

Zu Finanzierungsfragen des Projekts in Norwegen äußert sich das Unternehmen allerdings noch nicht, und so bleibt offen, wie diese „kommerzielle“ Anlage sich je amortisieren soll. Allein die Stromkosten pro Liter sind – selbst wenn man optimistisch nur 4 Cent je Kilowattstunde ansetzt – fast doppelt so hoch wie die Großhandelspreise des fossilen Diesels.

Allenfalls ein extrem hoher CO2-Preis könnte den Spieß zugunsten des Designerkraftstoffs umdrehen. Solange ein solcher aber nicht absehbar ist, ist es auch kaum ein Trost, dass Audi in Tests die „Premium-Eigenschaften“ des Energieträgers bestätigt hat. Die positive technische Bewertung überrascht ohnehin nicht; Motorenbauer lieben synthetische Treibstoffe, weil sie deutlich homogener in ihrer Zusammensetzung sind als Kraftstoffe aus Rohöl.

Aus technischer Sicht sind die Designerkraftstoffe also durchaus problemlos herzustellen und zu nutzen. Allerdings gilt: Den billigen und zugleich CO2-freien Treibstoff hat auch Sunfire noch nicht gefunden.

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7 Kommentare

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  • Nicht mehr oder weniger sinnvoll als Elektroautos. Und ökonomisch Auch vergleichbar (kleiner Bonus für Prototypstadium. Wenn die Butze Elon Musk gehören hätte der schon 20ct/l versprochen und die 1. Milliarde Investoren $ eingesammelt). Vorteil die Lagerungsfähigkeit und unschlagbare Energiedichte von langkettigen Kohlenwasserstoffen.

  • Bei ca.30% Wirkungsgrad sind alle weiteren Entwicklungen in Verbrennungsmotorentechnik sinnlos. Elektroantrieb kann Rohstoff- kapazitiv nur begrenzt eingesetzt werden und dann vorzugsweise in Elektrofahrrädern. Wie lange brauchen wir noch, um zu verstehen, dass Individualverkehr wie er jetzt geschieht, eine Anmaßung ist, die uns nicht zusteht. Bis jetzt wird überwiegend in eine Lüge investiert, in einen lebensfeindlichen Eskapismus.

    Zündschlüssel rumdrehen und das kann ich mir doch leisten; Nein WIR können es uns nicht mehr leisten. Das Auto nimmt uns und vor allem unseren Nachfahren mehr, als es geben kann.

    Steigt auf´s Rad um oder lauft, und seht endlich die Umwelt aus anderen, klareren Perspektiven!

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Was tun wir sonst mit dem überschüssigen Ökostrom den wir jetzt schon oft haben?

     

    Überschüssiger Ökostrom kostet genau Null Cent pro Kilowattstunde, ne, noch schlimmer, er bringt an den Strombörsen Negativpreise, man muss also dafür bezahlen dass ihn jemand vernichtet...

     

    Unwirtschaftlich ist es trotzdem noch, aber so lange kein anderer technischer Großspeicher zur Verfügung steht wohl die einzige Speichermöglichkeit (zusammen mit Power-to-gas).

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wenn man die Sache mit der Dekarbonisierung ernstnimmt, dann ist die Erzeugung künstlichen Treibstoffs (ob Wasserstoff oder kohlenstoffbasiert) wohl unumgänglich.

    Das Problem der Speicherung von Energie ist nach wie vor nicht gelöst, die Elektrobatterien sind von der Ressourcenreichweite und der Speicherkapazität her nicht geeignet für den weltweiten flächendeckenden Einsatz als mobile Energiespeicher.

    Ohne Durchbrüche bei den Batterien ist es undenkbar, dass Jumbojets ohne Brennstoff fliegen.

     

    Die Entwicklung mag zwar etwas "frühreif" sein in Ermangelung sauberen Stroms, allerdings ändert auch die Erfindung der besten Batterien nicht das Kernproblem: entweder es gelingt uns, die Menge an Ökostrom drastisch zu erhöhen, dann können wir unseren jetzigen Lebensstil beibehalten, der mit einem ständig steigendem Energiebedarf einhergeht, oder aber wir werden diesen Lebensstil gründlich hinterfragen und ändern müssen.

     

    Am Energiesparen wird realistischerweise kein Weg vorbei gehen, solange es keine technologischen Durchbrüche bei der Kernfusion gibt.

    Mit dem konsequenten Sparen ließe sich praktisch anfangen, etwa bei der Außenbeleuchtung von Gebäuden oder Werbetafeln oder bei den "Heizpilzen" draußen im Freien, aber ganz offensichtlich sind sogenannte grüne Bürgermeister heute eher damit beschäftigt Quellen zuzubetonieren und Gewerbegebiete drauf zu bauen, wenn sie nicht gerade gegen Flüchtlinge hetzen.

     

    Waren das noch Zeiten. als die Grünen noch mit unbequemen Forderungen gepunktet haben....

  • Bin anderer Meinung.

     

    Das Pariser 1,5-Grad-Ziel ernstgenommen, muss die Energiewende in 15 Jahren weitgehend abgeschlossen sein (oder erklärt werden, wie "negativ emittiert" werden soll). Warum also lange mit dem Status quo argumentieren (geringer EE-Anteil, derzeitige Kosten), wenn ohnehin bald alles anders ist? PV z. B. hatte früher ebenfalls hohe Kosten und einen schlechten EROEI. Zum Glück wurde sie dennoch massenhaft eingesetzt, daher die gute Situation jetzt.

     

    Chemische Energieträger sind bei den angestrebten 100 % EE unverzichtbar und damit die Elektrolyse, die somit schnellstmöglich in die Massenproduktion (für den technischen Fortschritt) überführt werden sollte:

    - erstens für Versorgungssicherheit während Dunkelflauten - Kohleausstieg auf jeden Fall sofort, geht aber nur mit Zubau anderer Langzeitspeicher, und Erdgas ist nicht klimaneutral

    - zweitens im Mobilitätsbereich: hier sind sogar Kohlenwasserstoffe für große Schiffe, Flugzeuge und wer weiß was noch (Feuerwehr z. B.?) unabdingbar - selbst nach Verkehrsvermeidung und überwiegend Elektromobilität mit "direkter" Stromnutzung. Vielleicht werden ein paar Verbrennungsmotoren zu verkraften sein, Kohlenwasserstoffe können alternativ aber auch mobil in Brennstoffzellen (SOFCs) verwendet werden (siehe Nissan, siehe meine Studienarbeit).

     

    Es muss und wird sich viel ändern, insbesondere der Energiemarkt (vgl. Position von eurosolar). Warum dann nicht rechtzeitig verschiedene technische Optionen bereitstellen?

     

    Viele Grüße

     

    P.S.: danke, wichtiges Thema!

  • Also ab in die Gegenden wo viel Sonne ist und ein Meer fürs Wasser...

    solarpanells dort aufbauen mit dem Strom das Öl synthetisieren und per Pipeline / Tanker herschaffen. Damit wird Solarenergie Lagerfähig.

    Bleibt nur das Problem dass bei uns halt die Luft immer dicker wird....

  • Guter Bericht, so sieht das aus. Wir sollten nicht Goldgräbern auf den Leim gehen, die per Start-up und ggf. Börsengang anderer Leute Geld verbrennen, und mangelhafte Ökobilanz per Öko-Wortschöpfungen ad absurdum führen.

    Erst wenn wir mal viel viel zu viel Strom aus ökologischen Quellen übrig haben allenfalls als Speichermedium geeignet. Dauert aber noch.