Springer baut Stellen ab: Mehr Dauerloops, weniger live
Der TV- und Internet-Kanal Bild TV stellt große Teile seines Liveprogramms ein – und setzt vermehrt auf Dokus und Reportagen. Das kostet auch Stellen.
Springer baut um. Genauer gesagt, eher mal ab. Vor einer guten Woche kam die Meldung, dass künftig Bild und Welt wieder als „eigenständige Einheiten mit jeweils eigenem CEO“ geführt werden sollen. Bislang waren sie in der Einheit News Media National (NMN) zusammengeschraubt.
Doch die Idee, mit dem Boulevard gemeinsame Sache zu machen, hat trotz der massiven Annäherungsversuche von Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt anscheinend nicht funktioniert. Genauso wenig wie ein anderes, viel größeres Projekt: Die Eroberung des Fernsehens ist gescheitert. „Bild Live“ sollte im Netz und als klassischer TV-Kanal den ganzen Wumms der Marke Bild auch in der Fernsehwelt umsetzen.
„Die,Bild'-Zeitung ist ja gegründet worden, weil es damals kein privates Fernsehen gab, und hat schon immer emotional und in Bildern erzählt“, meinte kurz vor dem Start Damals-noch-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt im Interview mit dem Fachdienst kress pro (Offenlegung: Ich arbeite auch für kress und habe damals das Interview geführt).
„Unser Ziel ist, so viele Menschen wie möglich zu erreichen und, ehrlich gesagt, auch so viel Geld wie möglich damit zu verdienen.“ Vor knapp einem Jahr ging es richtig los, in der Spitze gab es durchaus auch (Einzel-)Erfolge mit mehr als 3 Millionen Abrufen beziehungsweise Zusehenden. Doch der Rest blieb mau und das mit dem Geldverdienen daher massiv hinter den Erwartungen zurück.
Ende vergangener Woche teilte Springer deshalb mit: „Wir werden ab Januar 2023 im Rahmen einer Programmreform mit Bild TV ohne die News-Formate,Bild live' und,Bild am Abend' an den Start gehen.“ Damit fehlt aber das, was überhaupt Bild TV ausgemacht hat. Ab 2023 soll der Kanal dann vor allem Dokumentationen und Reportagen von WeltN24 bringen. Longtail nennt sich das, weil diese Formate in Dauerschleife immer wieder durchgenudelt werden können und sich so langfristig rechnen.
80 Mitarbeiter schauen in die Röhre
„Breaking News“, „Sport am Sonntag“ und die Talkshow „Viertel nach Acht“ soll es aber weiter geben. „Reif“ bleibt also weiter „live“. Und auch Kriegs-, Krisen- und Ausnahmereporter Paul Ronzheimer – das ist übrigens ausdrücklich positiv gemeint – hat seine gesicherte Abwurfstelle.
In die Röhre gucken dafür rund 80 Menschen, die zunächst befristet neu für „Bild Live“ angeheuert wurden. Sie dürfen nun auf ein paar Stellen hoffen, mit denen die „digitale Bewegtbildkompetenz“ der restlichen Bild-Redaktion ausgebaut werden soll. Denn angesichts lahmender Konjunktur, Inflation und Energiekrise stehen auch bei Springer die Zeichen auf Sparen. Und der Egomane Reichelt, der mit seiner schieren Energie so manches noch ein bisschen stärker als andere vorantrieb, ist zum Glück sowieso längst Geschichte.
Eine ganz andere Springer-Personalie ist bei der ganzen Aufregung um Bild TV allerdings ein bisschen untergegangen: Digitalvorständin Ulrike Handel ist auch schon wieder weg. Sie startete dabei erst im Frühjahr und war neben der für Personal verantwortlichen Niddal Salah-Eldin die einzige Frau im Springer-Vorstand. Handel gilt als Spezialistin für Turnaround-Strategien, digitale Transformation von Unternehmen und kulturelles Change-Management.
Sie hatte schon vorher in unterschiedlichen Positionen bei Springer gearbeitet. Jetzt geht sie ausdrücklich wegen „unterschiedlicher Auffassungen über Ausrichtung und Struktur des Bereichs“ News Media National. Der untersteht fürs Erste Springer-Chef Mathias Döpfner höchstpersönlich und wird nun aufgeteilt.
Böse Stimmen unken, so was passiere ja gerne auch deshalb, weil sich Einzelteile besser verkaufen oder dichtmachen lassen. Womit vor allem die Welt gemeint sein könnte.
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