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Springer-Chef Döpfner über CoronakriseLand des Lächelns

Mathias Döpfner meldet sich in der Krise zu Wort – ausgerechnet beim umstrittenen Blog „Achse des Guten“.

Corona sei Dank: Mathias Döpfner hat mehr Zeit Foto: Christoph Hardt/future image/imago

J etzt ist es schon wieder passiert: Der Chef verkündet höchstpersönlich im eigenen Blatt, wie er die Welt sieht und was nun passieren muss. Bevor wir jetzt hier einem Missverständnis aufsitzen: Nein, es geht mal nicht um den Berliner Verlag und die Friedrichs.

Es geht um Springers Welt und Mathias Döpfner. Der hat dank Corona auch mehr Zeit und ein paar Sorgen mehr als sonst, die er in gut 10.000 Textzeichen gegossen hat. „Ich fürchte, wir begehen demokratischen Selbstmord aus Angst vor dem Sterben“, schreibt er allen Ernstes. Was nur den Schluss zulässt, dass Springers Vorstandschef gerade ein Praktikum bei Bild gemacht hat – mit einem Extrakurs „bedeutungsschwangeres Raunen“ bei Franz Josef Wagner.

„Als der Chef des Robert-Koch-Instituts sagte, die massiven Einschränkungen im Alltag könnten zwei Jahre dauern, habe ich das Vertrauen verloren (…). Wer so etwas denkt, darf nicht der wichtigste Kompass der Regierung sein“, schreibt Döpfner, und dass ihm dieses „fast unbeschränkte Macht zu alternativlos“ scheint. Denn das sind doch alles „Experten ohne das Mandat des Wählers“.

Genau das macht zwar das Expert*Innentum aus, aber das hat Döpfner wohl gerade verdrängt. Entscheidungen treffen immer noch und gerade in Deutschland gewählte Politiker*innen. Doch mit diesem Zweifel am System spannt sich Döpfner selber vor den Karren derer, die diesem System den Kampf angesagt haben. Wie Henryk M. Broders „Achse des Guten“ zum Beispiel. Warum der Springer-Chef seinen Beitrag jetzt ausgerechnet dort für eine Zweitveröffentlichung freigegeben hat, fragt er sich hoffentlich mittlerweile selbst.

Großes Kino

Für alle, die keine Lust auf umgerechnet 333 taz-Zeilen Döpfner haben: Natürlich kriegt er die Kurve und schreibt dann durchaus kluges Zeug. Gegen die Forderung, die Medien müssten jetzt für Solidarität und Einheit sorgen, setzt Döpfner zu Recht ein, „am Auftrag der Journalisten darf sich aber auch in der Krise nichts ändern. Gerade dann nicht. Sie sollten weiter zweifeln und hinterfragen. Es braucht jetzt nicht nur Solidarität und Gemeinsinn, sondern auch Kritik. Und vor allem Vielfalt der Informationen und Meinungen. Wir brauchen keine zentralstaatliche Propaganda, sondern einen Wettbewerb kritischer Intelligenz.“

Am Ende kommt dann wieder ganz großes Kino à la Franz Josef Wagner: Wenn alles vorbei ist, sollen wir uns nämlich so begrüßen wie in Thailand. Also die eigenen Hände aneinanderlegen. Leichte Verbeugung. Lächeln.

„Das Lächeln wünsche ich mir wirklich. Vor allem in Deutschland“, schreibt Döpfner. „Es gibt kein Volk, das so wenig lacht wie die Deutschen. Vielleicht hinterlässt Corona uns ein Lächeln. Wenn es vorbei ist. Ein Lächeln der Dankbarkeit.“ Herzlichst, Ihr …

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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5 Kommentare

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  • Gut, dass sich immer die Richtigen über die Guten ägern.



    Man kann H.M. Broder ohne Weiteres bereits zu Lebzeiten in einem Atemzug mit Publizisten wie Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky nennen.

    • @Günter:

      Zu Herrn Broder hat der FDP-Politiker Stefan Scharf alles Nötige gesagt.

  • Was soll an dem Blog von Hendryk Broder umstritten sein?



    Dass er nicht die gleiche politische Ausrichtung wie die TAZ hat?

  • Mathias Döpfner --> Wer hat da eigentlich gesprochen?:

    Atlantik-Brücke e.V.



    Mitglied ("Young Leader")

    Bilderberg-Konferenz



    Teilnehmer

    Kulturkreis der deutschen Wirtschaft



    Vorstandsmitglied

    Axel Springer SE



    Vorstandsvorsitzender

  • Wenn ein Staat Dinge zum Staatsziel erklärt, die vom Staat nicht geleistet werden können, muss er von den Zielen ablassen, oder er ruiniert sich selbst. Da hat Herr Döpfner auch im konkreten Fall recht: der Staat kann nicht vor Epidemien schützen, er kann nur dafür sorgen, Behandlungskapazitäten vorzuhalten. Dass der deutsche Staat nach Sars dies versäumt hat, obwohl er um die Schwachstellen wusste - siehe Bundestagsdrucksache 17/12051, S. 55ff. - ist jetzt nicht mehr gut zu machen. Auf makabre Art geht es um Tod oder Leben, aber anders, als der Minister, der unbegrenzte Finanzmittel vortäuscht, sich einbildet - es geht um das der Demokratie und ihrer Grundlage, der individuellen Freiheiten. Herr Döpfner ist hier ein sehr ehrenwerter Mann!