Sprechen über Krieg und Frieden: „Wenn alle zusammenstehen“

Wie soll man Kindern den Krieg erklären? Unserer Autorin fällt nur ihre Definition von Frieden ein. Trotzdem versucht sie, die richtigen Worte zu finden.

Ein Mann bringt seine Tochter in einem Keller, daneben Sandsäcke vor einem Haus mit Rauchspuren

Bei Sirenengeheul wird im Keller Schutz gesucht, nicht nur in Odessa Foto: Alexandros Avramidis/reuters

Ich weiß noch immer nicht, wie man Kindern erklärt, was Krieg ist. Und ich habe für mich selbst noch nicht abschließend geklärt, wie man richtig mit ihnen darüber spricht. Ich verhalte mich intuitiv und sage mir immer wieder: „Jeder Krieg endet irgendwann. Wichtig ist vor allem, Mensch zu bleiben.“

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In den ersten Tagen der Bombardierungen herrschte Panik. Ich erklärte den Erwachsenen in meiner Umgebung streng, dass wir nicht laut weinen, nicht aus Angst vor den Schüssen schreien und nicht in Ohnmacht fallen sollten. Denn Kinder beobachten unser Verhalten und lernen daraus.

Bei jedem Sirenengeheul gingen wir alle gemeinsam gehorsam in den Keller. Alles, was wir taten, kommentierte ich:„Jetzt gehen wir in den Keller, weil es dort weniger gefährlich ist.“ – „Wir müssen vorbereitet sein, wissen, wo unsere Kleidung liegt, uns schnell anziehen und auch mitten in der Nacht aufstehen, weil wir gerade in einer besonderen Lebens­situation sind.“

Kinder sehen den Krieg live in Tiktok-Videos

Unabhängig vom Verhalten der Erwachsenen hatten die Kinder aber doch große Angst. Sie schauten ja Tiktok-Videos. Und mehr noch als das Video vom Beschuss friedlicher Städte schmerzten dabei die widerwärtigen Witze der Russen, die in dem Video zu hören waren. Die Kinder sahen die Boshaftigkeit und den Spott von Menschen, deren Chef unserer Heimat den Krieg erklärt hatte. Kurz darauf musste ich meinen Söhnen erklären, was Verrat bedeutet.

Am Morgen des 1. März umarmte ich meine Jungs und sagte: „Meine Lieblinge, der Frühling ist da!“ Sie warfen sich sofort in verschiedene Ecken ihrer Betten und schrien: „Sind sie schon da? Bombardieren sie uns?“… Es tut weh, so etwas zu hören.

Ich habe wunderbare Söhne. Sie lieben Tiere, und jedes Mal, wenn wir zum Schutz in den Keller gingen, schleppten sie alle Katzen der Nachbarschaft mit und riefen nach den Hunden. Ich versuche die ganze Zeit, ihnen die Panik zu nehmen. Ich erkläre, dass es normal ist, in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Gefühle zu haben.

Eine große Hilfe für meine Kinder war, dass ihre Lieblingsfußballer mit der ukrainischen Flagge aufs Spielfeld gekommen sind. Ich zeigte ihnen die Erklärung der UEFA. Ich zeigte ihnen, wie auch Real Madrid, FC Barcelona, Manchester City die Ukraine und meine kleinen Ukrainer unterstützen …

Ich erzählte ihnen, dass ihr Lieblingsspieler İlkay Gündoğan auf ihrer Seite ist, ich zeigte ihnen die Tränen von Sintschenko, Mykolenko und anderen. Dann weinten wir gemeinsam. Ich zeigte ihnen Bilder der großen Demonstrationen mit Tausenden von Menschen in verschiedenen Ländern, darunter Deutschland. Das sollt ihr wissen! Wir sehen das! Und es hilft uns sehr.

Ich weiß immer noch nicht, wie man mit seinem Kindern über den Krieg spricht, aber ich weiß genau, wie man ihnen erklärt, was Frieden ist. Frieden ist, wenn alle zusammenstehen!

Aus dem Russischen von Gaby Coldewey.

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ist Chefredakteurin des ukrainischen Nachrichtendienstes USI.online. Sie ist Mutter von zwei Kinder (9 und 12).

Eine Illustration. Ein riesiger Stift, der in ein aufgeschlagenes Buch schreibt.

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