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Sprache im fossilen ZeitalterDer Mensch denkt, was er lenkt

Laut WZB bewegen wir uns seit der Coronakrise mehr zu Fuß fort. Zumindest sprachlich aber dominieren noch immer die Interessen der Ölindustrie.

Immer mehr Menschen gehen durch die Stadt Foto: Andreas Koslowski/plainpicture

E ndlich mal eine gute Nachricht: In der Coronakrise haben wir das Gehen als Verkehrsmittel wiederentdeckt, schreibt das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). „Zu Fuß holt auf“, heißt es, jeden dritten Weg machten wir per pedes. Not lehrt gehen. Aber sprachlich haben wir wieder mal verloren. Denn das WZB schreibt, der Zuwachs beim Laufen (und beim Autofahren, das ebenfalls gewinnt) sei beim „Hochfahren der Aktivitäten“ geschehen. Beim Hochfahren also. Nicht beim Hochlaufen.

Es gibt fossile Energien, fossile Lagerstätten, fossile Technik und eine fossile Lobby. Es gibt aber auch fossile Sprache. Sie hat in den letzten Jahrzehnten unser Denken zugeparkt.

Der Verbrennungsmotor treibt nämlich nicht nur die Blechkisten auf den Straßen an, sondern auch unser Denken. Also machen wir Dampf im Job, um möglichst viel Kohle zu scheffeln. Wir leben auf der Überholspur, wir ziehen an all den lahmen Enten vorbei, wir blinken rechts und fahren links. Erst wenn wir alles gegen die Wand fahren, machen wir vielleicht eine Vollbremsung. Wir geben sogar auf dem Fahrrad Gas und drücken beim Wandern auf die Tube. Selbst Ruhe, Selbstvertrauen und Liebe kann man inzwischen tanken.

Wenn es dann richtig gut für uns läuft (!), dann heben wir ab. Wir werden zu Überfliegern, die auf jeden Fall eine harte Landung verhindern wollen. Wir schreien „Volldampf voraus!“ und schieben eine große Bugwelle vor uns her, wir kriegen gerade noch die Kurve, oder wir enden als Totalschaden. Danach muss der Konjunkturmotor wieder anspringen, und damit die Maschine richtig brummt, müssen wir sie mühsam wieder ankurbeln. Die harte Arbeit ist immer noch fossilfrei.

Trippeln, schleichen, schwimmen

Denn wenn es uns richtig schlecht geht (!), muss Muskelkraft ran. Wir haben uns in eine Sackgasse manövriert – da müssen wir jetzt wohl zurückrudern. Wenn wir auf der falschen Welle surfen, kommen wir nur in Trippelschritten voran oder treten sogar ganz auf der Stelle. Wir schleichen uns an unangenehmen Themen vorbei, die uns sonst vielleicht aus der Bahn werfen. Auch wenn vor dem Büro Fahrradparkplätze zur Verfügung stehen: Rad fahren im Büro heißt immer noch nach oben buckeln, nach unten treten. Und wenn wir nicht wissen, was zu tun ist – dann schwimmen wir.

Hundert Jahre fossile Mobilität haben sich eine Autobahn durch die Steilkurven unserer Hirnwindungen asphaltiert. Da sind wir von Elektroautos erst mal nicht elektrisiert. Busse oder Buße, wo ist da der Unterschied. Beim Nahverkehr denken wir lieber an Sex als an nachhaltige Stadtentwicklung.

Es heißt ja, der Mensch ist, was er isst. Wahrscheinlich ist es auch so: Der Mensch denkt, was er lenkt. Kleiner Trost: Immerhin gibt es noch keinen Fortroll. Es bleibt beim guten alten Fortschritt.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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1 Kommentar

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  • Nett.



    Wer denkt nicht bei/m / im Nahverkehr an Sex? Wobei auch Fernverkehr seine Reize hat.