Sportmärchen über ein weltweites Vorbild: Der große König Pimmelnase
Es war einmal ein Herrscher, der mit seinen elf Enkeln vor der ganzen Welt glänzte. Kleingeistige Neidhammel konnten ihm freilich gar nichts anhaben.
E s war einmal ein großer Ball. Die ganze Welt war gekommen. König Pimmelnase war sehr zufrieden. Vor allem liebte er das Licht. Statt der Scheinwerfer verfeuerte man hier in großen Schalen Arbeiter’innen aus Indien und Bangladesch; das gab dem Raum ein besonderes, nie dagewesenes Ambiente. So schön war das! Geradezu besinnlich.
Elf Enkel hatte der König, und es war sein Wunsch, sie der Welt zu zeigen. Alle waren sie magisch begabt, wahre Zauberer und Künstler; es würde, da war sich König Pimmelnase sicher, Applaus regnen von den Rängen. Leider hatte einer wieder zurückgemusst auf den Gutshof, er hatte seine Frau mit bösen Flüchen belegt, und nun war sie tot. Ganz kurz nur legte sich des Königs Stirn in Falten: Es war überaus ärgerlich, dass diese Geschichte gerade jetzt geschah. Aber er wusste auch, dass die Chroniken diese Frau nicht erwähnen würden: In Wochen bereits würde der Glanz seiner Enkel all dies überstrahlen.
Sie hatten, auch dies würde sicher gewürdigt werden, so vieles auf sich genommen: Eine ganze Nacht hatten sie in sanften Ledersesseln verbringen müssen, nur weil Tausende andere Menschen schlafen wollten. König Pimmelnase schnaubte einmal kurz im Zorn – nicht einmal Rémy Martin war ihm gereicht worden, den schnöden Hennessy hatte er trinken müssen und natürlich deswegen auch unruhige Träume gehabt. Er sah auf sein Handgelenk; drei goldene Ziffernblätter blinkten ihm entgegen, die Stunden wurden von glitzernden Diamanten markiert.
Heute Morgen hatte er noch überlegt, ob er sich nicht auch noch eine vierte Uhr überziehen sollte; aber seine Berater hatten ihm geraten, etwas auf dem Teppich zu bleiben. Pimmelnase seufzte; das Land, aus dem er kam, war eines voller Missgunst. Er brachte das Schöne und Gute und Wahre in die Wohnzimmer der Menschen, und diese kleingeistigen Neidhammel beklagten sich darüber, dass sie sich keine Butter für ihr Stück Brot mehr leisten konnten. Dabei hatte auch dies etwas Gutes! So war mehr Butter übrig für seine Enkel, die auf den wunderlichen Brauch verfallen waren, sich morgens die ganze Scheiße in die Frisur zu schmieren.
Niederdrückender Glanz
König Pimmelnase seufzte erneut; wenn er wollte, wie er könnte. Es ging ihm auch gar nicht darum, all diese subalternen Existenzen zu bestrafen; sie sollten einfach nur die Schnauze halten in Dankbarkeit und Demut. Denn dazu erzog er all die Menschen, die ihn umgaben: Schon allein durch seine eigene Großartigkeit wurden sich in seiner Gegenwart alle ihrer Minderwertigkeit bewusst; sein Glanz drückte sie nieder, stutzte sie zurecht auf jenes Maß, dass ihnen zustand. Und da er König Pimmelnase war, sein Glanz in jeden Winkel des Königreichs strahlte, war er der Maßstab für jede Person, ja jedes Lebewesen im ganzen Land, nein: der ganzen Welt.
Diese Bürde trug König Pimmelnase mit Fassung; einer musste es ja tun. Selbst wenn er in die Knie ging, fand er kaum jemanden auf Augenhöhe. Sein eigener Sohn reichte ihm höchstens bis zum Knie, und der stand schon hoch über allen anderen. Auch dem, obwohl so friedlich und volksnah, war kürzlich die Hutschnur geplatzt: Es hatte doch tatsächlich irgend so ein dahergelaufener Haderlump gewagt, den ganzen Ball zu kritisieren. Draußen würden alle Leute den Gürtel enger schnallen, nur das Königshaus tue nichts anderes, als die eigene Großartigkeit zu feiern.
Ja, was weiß denn der schon! So ist eben das Leben als König! Bälle und Champagner und tote Arbeiter’innen, das gehört halt dazu! Dieser sogenannte Kritiker, was denkt der sich, oder vielmehr, dass er überhaupt denkt, das ist ja schon das Problem! Gedanken sind was für Menschen mit Geld. So was weiß man, wenn man Experte ist, Himmelherrgott. Hoffentlich fände sich da draußen ein Mob, der diesen Typen zum Schweigen brächte.
König Pimmelnase zuckte die Schultern. Auch das würde vorbeigehen. Es war schon so viel vorbeigegangen. Und war nicht der Wahlspruch seines Hauses: Leistung muss sich wieder lohnen? Ach, geleistet hatte er sich schon so vieles, und immer hatte es sich gelohnt: Er war gespannt, welche schöne Überraschung dieses Mal auf ihn wartete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland