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Sportgeschichte und NS-ZeitEr war nicht nur Stürmer

Als links geltende Ultras von Borussia Dortmund führen das Bild des früheren Spielers August Lenz in ihrem Logo. Doch der war in der SA und der NSDAP.

Gehört zur Dortmunder Südtribüne: „The Unity“ mit August-Lenz-Banner Foto: Imago/Bielefeld

Wenn Borussia Dortmund spielt, schwenken die Ultras von „The Unity“ stets ein schwarz-gelbes Banner, auf dem der Kopf von August Lenz zu sehen ist. Zu diesem früheren Dortmunder Spieler teilt der Klub hingegen nun mit, es werde künftig am vereinseigenen August-Lenz-Haus „eine kurze Information und Einordnung der Biografie von August Lenz angebracht, um BVB-Fans transparent über den Namensgeber zu informieren und diesen biografisch einordnen zu können“.

Damit setzt der Verein erstmals ein Zeichen, während die sich als antirassistisch und kapitalismuskritisch verstehenden Fans von „The Unity“, der wichtigsten Ultragruppe des BVB, weiterhin Lenz ehren. Doch der war NSDAP­- und SA-Mitglied.

August Lenz war in den 1930er und 1940er Jahren Spieler der Borussia. Der „blonde August“ gilt als Vereinslegende. In über 1.000 Spielen erzielte er so viele Toren, dass sich die genaue Zahl nicht benennen lässt. Dabei begann seine Karriere gar nicht als Stürmer, denn zunächst war der nur 1,70 Meter große Lenz Torwart. Irgendwann wurde er in den Sturm beordert und schoss bei einem 14:0-Sieg über Mengede mehr als die Hälfte der Tore. Das war Ende 1934. Damit begann die erfolgreiche Karriere des Stürmers August Lenz. Am Aufstieg seiner Borussia in die Gauliga, damals oberste Spielklasse, war Lenz ganz entscheidend beteiligt. Zudem war er Dortmunds erster Nationalspieler. Später sagte er, die 1930er Jahre seien die schönste Zeit seines Lebens gewesen.

Der BVB will künftig am August-Lenz-Haus über die Biografie von August Lenz informieren

Dazu gehört auch dies: 1937 wurde August Lenz Mitglied der NSDAP. Ein Jahr zuvor hatte er schon Werbung für die Reichstagswahl gemacht, bei der nur Hitlers Partei antreten durfte. Lenz war auch Mitglied in der Sturmabteilung (SA), die ihn in einem Propagandaspiel einer SA-Auswahl gegen die Nationalmannschaft einsetzte.

Irritierend ist, dass August Lenz von den tendenziell linken Ultras zum Posterboy erkoren wurde. Zwar hat der BVB etwa mit der „Borussenfront“ in den 1980er Jahren ein Problem mit rechten Fans. Der 2021 verstorbene Neonazi „SS-Siggi“, Siegfried Borchardt, spielte in dieser Gruppierung eine exponierte Rolle. Oder 2017 löste sich die rechtsradikal durchsetzte Hooligan-Gruppe „0231-Riot“ auf.

Progressive Ultras

Doch das Bild der BVB-Fans wird von Ultras wie „The Unity“ geprägt. Sie fallen nicht nur durch anschauliche Choreographien, sondern auch durch progressive Aktionen auf – im Stadion und davor. Im Stadion erinnerte „The Unity“ mehrmals an den Senegalesen Mouhamed Dramé, der 2022 im Alter von 16 Jahren von der Dortmunder Polizei getötet wurde. Auch gegen den Rheinmetall-Deal des BVB, der sich von dem Rüstungskonzern jährlich einen einstelligen Millionen-Euro-Betrag überweisen lässt, protestieren die Fans von „The Unity“. Trotz zahlreicher Banner, die zeitgleich auf der Südtribüne präsentiert wurden, blieben die Proteste jedoch erfolglos. Der Sponsorenvertrag mit dem Rüstungsunternehmen besteht weiterhin.

Erfolgreich waren die Ultras beim geplanten Einstieg von Investoren in die Deutsche Fußball Liga in der vergangenen Spielzeit. Der wurde durch den zivilen Ungehorsam verschiedenster Fanszenen in der ersten und zweiten Bundesliga verhindert. Immer dabei: die Fans von „The Unity“.

Als im vergangenen Jahr Borussia Dortmund in der Champions League Celtic Glasgow mit 7:1 besiegte, beteiligten sich die Dortmunder Fans an mehreren antikapitalistischen Protesten. Ihrem Unmut über die Reform des Wettbewerbs galt eine Choreographie, bei der mit riesigen Buchstaben die Worte „Uefa Mafia“ gebildet wurden.

Bei diesen Dortmunder Fanaktionen ging stets die Initiative von „The Unity“ aus, auch wenn sich andere Ultragruppen, etwa die „Desperados“, auch daran beteiligten. „The Unity“ gilt in BVB-Kreisen als eine linksoffenene Gruppierung.

Warum dieses Logo?

Warum hat diese Gruppe sich August Lenz für ihr Logo ausgesucht? Ultras sprechen nicht mit der Presse. Entsprechend dringt bislang nichts aus der aktiven Fanszene durch, welche Positionen dort vertreten werden. Daher bleibt es ungewiss, ob das Verhältnis der Ultras zu August Lenz aufgearbeitet wird und ob dann auch Schlüsse daraus gezogen werden.

Die Ruhr Nachrichten, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, verweisen darauf, dass es 2001, als „The Unity“ gegründet wurde, noch kein Problembewusstsein zur Biografie von August Lenz gegeben hat.

Auch der Verein Borussia Dortmund hat bislang das Ansehen des 1930er-Jahre-Spielers hochgehalten. Seit 1993 steht neben dem Westfalenstadion das August-Lenz-Haus. Früher war es die Geschäftsstelle, heute fungiert es als Gaststätte. Das Thema und die Person August Lenz gelten bis heute als „kontrovers“, wie es in BVB-Kreisen heißt.

Im Jahr 2020 gab der Verein eine Studie zu seiner NS-Vergangenheit in Auftrag. Da geht es auch um August Lenz. Der Historiker Rolf Fischer, der die Studie betreut hat, sagte den Ruhr-Nachrichten, dass es noch offene Fragen gebe: „Ob es sich um eine reguläre SA-Mitgliedschaft gehandelt hat oder eine Ehren- oder Pflicht-Mitgliedschaft, wissen wir nicht.“ Das müsse noch besser erforscht werden. An der Mitgliedschaft in der NSDAP und der SA und an Lenz’ Engagement für Hitler vor den Reichstagswahlen 1936 besteht jedoch kein Zweifel.

Der Verein will nun am August-Lenz-Haus eine Tafel anbringen, die auch über die problematischen Aspekte der Biografie von August Lenz Auskunft gibt. Jetzt müssen nur noch die Ultras nachziehen.

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