Sportfans bei Pegida und Legida: Die Unterwanderungsbewegung
Pegida und Legida wären nicht denkbar ohne Anführer aus dem Sport. Hooligans und rechte Sportfans bilden eine Allianz der Aufgebrachten.
BERLIN/LEIPZIG taz | Nachdem die Pegida-Demonstration in Dresden am Montag abgesagt wurde, wollen die Organisatoren von „Leipzig gegen die Islamiesierung des Abendlandes“, kurz Legida, am Mittwoch nicht weniger als 60.000 Leute auf die Straße bringen. Das schreiben sie zumindest in ihrem Demo-Aufruf, neben anderem kruden Zeug: „Wir sind keine Mischpoke, sondern das mündige Volk.“ 60.000 – das wären in etwa so viele, wie in ein Fußballstadion passen. Damit kennen sich die Legida-Mitorganisatoren Marco Prager und Silvio Rösler ziemlich gut aus, denn sie sind Fußballfans.
Prager, 40, ist Teil der Fanszene von Lokomotive Leipzig. Rösler, 51, hat für die Konkurrenz gejubelt, erst für den FC Sachsen Leipzig, später dann für den Nachfolgeverein SG Leipzig-Leutzsch; er spielt auch noch selbst Fußball in der TuS Leutzsch. Prager stand der teilweise rechtsextremen Gruppierung „Scenario Lok“ nahe und verteidigte auf Facebook Übergriffe von Scenario auf linke Fans von Babelsberg. Rösler wollte im Jahre 1999 für die Deutsche Soziale Union (DSU) in den Leipziger Stadtrat einziehen. Die Fußballfans Rösler und Prager waren auf den Legida-Demos nie allein, Althools von Lok und Leutzsch liefen stets in vorderster Linie mit.
Szenekenner berichten, dass Rösler über Facebook mit Thomas Gerlach (Spitzname: Ace), einem Neonazi aus Thüringen, befreundet ist. „Wie von Anfang an vermutet, stammen die Macher aus der rechten Fußball-Fanszene und mischen bei der virtuellen Hetz-Gruppe ’Gohlis sagt Nein‘ mit, die nachweislich eine Vorfeldorganisation der NPD ist“, sagt Juliane Nagel, Landtagsabgeordnete der Linken.
„Bereits im vergangenen Jahr hatte die Nazipartei versucht, mit Facebook-Tarnorganisationen rassistische Stimmung zu schüren.“ Als sich Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) geweigert hatte, eine Unterschriftenliste gegen einen geplanten Moscheebau entgegenzunehmen, bezeichnete ihn Silvio Rösler als „gesichtslosen Windbeutel“ und „erbärmliche Gestalt“.
Pegida und die rechte Sportzszene
Zu Röslers Freunden gehört auch der Pegida-Mitstreiter Siegfried „Secty“ Däbritz, der am Sonntag im Publikum der Günther-Jauch-Sendung saß. Däbritz ist auch ein politisch bewegter Sportsmann; beim Football-Team der Radebeul Suburbian Foxes trägt der 39-Jährige die Rückennummer 64. Er steht der HogeSa-Bewegung nahe, den Hooligans gegen Salafisten. Däbritz sicherte unter anderem mit Hools von Dynamo Dresden die bisherigen Pegida-Demos ab. Mitglieder der Dynamo-Gruppierungen „Hooligans Elbflorenz“, „Faust des Ostens“ und „Dresden-Ost“ sind auf Pegida-Demos mitgelaufen, manch einer mit schwarz-gelbem Dynamo-Schal um den Hals.
Auch in Dresden ist die Schnittmenge zur rechten Sportszene nicht eben klein. Vorstandsmitglieder kleiner Fußballvereine sind ebenso darunter wie Eishockey-Fans der Dresdner Eislöwen und der ehemalige Fanprojektleiter des Dresdner SC, Lars Kretzschmar. Seine Kollegen und er wurden im Jahre 2007 vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet, eine Ehrung „für Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit“.
Doch nur ein Jahr später distanzierte sich der DSC von Kretzschmar wegen „grob vereinsschädigenden Verhaltens“. Aus dem vermeintlichen Linken war ein Rechter geworden. Kretzschmar schaffte es sogar ein zweites Mal, einen Verein in Dresden zu „unterwandern“, den FSV Lokomotive Dresden. Dort wollte man vieles richtig machen und sogar einen Migrationsbeauftragten berufen.
Dynamo: Keine Position zu Pegida
Kretzschmar, der beim FSV Lok zum Vereinspräsidenten aufgestiegen war, fiel aber wieder negativ auf, wie die Dresdner Neuesten Nachrichten 2013 berichteten: Er rief zur Beteiligung an den „Lichtelläufen“ in Schneeberg auf. Von der NPD organisiert, wurde dort Stimmung gegen Flüchtlinge und Asylbewerber gemacht. Zudem befürwortete er Beiträge des fremden- und islamfeindlichen Blogs „DWD – Das wahre Deutschland“, in dem offen gegen Ausländer und Asylbewerber gehetzt wird.
Die SG Dynamo Dresden, die sich in ihrer Fan-Charta gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung ausspricht, hat am 8. Januar eine Erklärung zu den Pegida-Demos veröffentlicht. Eine deutliche Position pro oder contra wolle man nicht beziehen. Es ist auch klar, warum. Der Verein will eine Zerreißprobe zwischen linken und rechten Fans vermeiden. Ein Insider berichtet der taz: All das wirke natürlich auf die progressiven und emanzipatorischen Kräfte innerhalb der Dynamo-Fanszene mehr als einschüchternd. Offen sprechen möchte derzeit niemand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften