Sport in Gaza: Die schwersten Tage meines Lebens
Maha Shabat hat Mädchenteams trainiert, und als Schiedsrichterin leitete sie Fußballspiele. Nun kämpft sie ums Überleben. Ein Hilferuf.

Wie für alle Menschen in Gaza wird auch die Lage für die Sportler:innen immer dramatischer. Maha Shabat war Fußballtrainerin und Schiedsrichterin. In Beit Hanun im nördlichen Gazastreifen hatte sie ein Mädchenteam gegründet. Sie hatte im Frühjahr der taz zu ihrer Lage Auskunft gegeben. Nun veröffentlichen wir hier einen Hilferuf von ihr. Die Redaktion
Ich habe keine Worte mehr. Wir alle sterben am Hungertod. Unsere Kinder, ich und einige meiner Familienmitglieder leiden unter Mangelernährung. Sieben Tage hatte ich nichts zu essen. Nur einmal hatte ich eine Mahlzeit. Wir können kein Mehl kaufen, weil es so teuer ist. Das billigste Nahrungsmittel sind Linsen, aber auch das können wir uns nicht leisten. Ein Kilo kostet 100 Schekel [etwa 25 Euro; Anm. d. Red]. In Gaza sind unsere Kinder dem Tod geweiht. Durch die Mangelernährung sind sie anfällig für Krankheiten, einige Kinder hier sind bereits gestorben. Seit Wochen essen wir höchstens eine Mahlzeit am Tag, nämlich eine halbe Portion Linseneintopf pro Person. Wir verlieren jeden Tag an Gewicht. Mein kranker Vater hat 14 Kilogramm abgenommen. Die Kinder können sich nicht mehr auf den Beinen halten. Die Jugendlichen können keine Eimer mit Wasser mehr tragen. Es wird sogar schwierig, Wasser zu bekommen, da es ständig knapp ist. Die Nachrichten, die ihr hört, erzählen nichts von der Realität, in der wir leben.
Unser Volk stirbt an Hunger. Wir brauchen die Unterstützung der Weltgemeinschaft in diesem Völkermord. Die hungernden Menschen gehen an die Verteilungspunkte, um etwas zu bekommen, aber es wird auf sie geschossen. Statt Mehl für ihre Kinder zu erhalten, kommen sie im Leichentuch zurück. Was haben diese Kinder verbrochen, dass sie jetzt ohne Vater aufwachsen müssen?
Die Lage im Gazastreifen ist wegen der anhaltenden Bombardierungen, der Vertreibungen und der wirtschaftlichen Lage äußerst schwierig. Ich erlebe die schwersten Tage meines Lebens voller Angst, Hunger und Entbehrung. Es gibt viele Probleme zwischen Familienmitgliedern aufgrund der Situation. Mein Sohn ist krank. Mein Vater braucht Sauerstoff, er ist erschöpft vom Hungern. Und meine Mutter ist depressiv wegen des Kriegs und braucht eine Therapie. Jeden Tag verlieren wir einen Verwandten, einen unserer Lieben.
Ich habe kein Zuhause mehr. Die Besatzungsmacht Israel hat unser Eigentum und unser Land in Beit Hanun beschlagnahmt. Seit dem 7. Oktober 2023 bin ich mehr als 15-mal geflohen. Und jedes Mal ist es schwieriger als beim letzten Mal. Die Zelte in den Straßen von Gaza werden bombardiert. Die Menschen leben auf der Straße.
Ich möchte eine Stunde lang ohne Explosionsgeräusche schlafen, ohne die Stimmen der Mütter, die nach ihren getöteten Männern rufen, und ihrer Kinder, die nach ihren getöteten Vätern rufen. Wir alle sind Flüchtlinge in einem einzigen überfüllten Gebiet. Die Probleme der Familien nehmen zu, weil so verschiedene Leute sich so engen Raum teilen. In einem Klassenzimmer der Schule schlafen mehr als 70 Personen in einem 4 × 4 Meter großen Raum.
Ich bitte alle um Spenden, damit wir Geld für Medikamente und Essen bekommen. Damit wir wenigstens unsere Kinder sattbekommen. Ich lebe für meine Familie. Ich bin stark, damit ich ihnen helfen kann. Meine Schwester Ayat studierte Jura an der Al-Azhar-Universität Gaza, ihre Bildungschance ist zerstört. Was wird aus ihrer Zukunft? Sie muss ihr Studium fortsetzen können. Mein Bruder, der getötet wurde, war Agraringenieur. Seine Kinder wollten eine gute Bildung, und jetzt erhalten sie gar keine.
Wir hoffen, dass der Krieg endet und wir etwas Ruhe finden und dass Hilfsgüter geliefert werden und wir etwas zu essen bekommen. Wir sind auf die Spenden aller angewiesen, damit wir wenigstens etwas Mehl bekommen können. Gaza verhungert. Wir möchten glücklich leben, genau wie alle anderen auf der Welt.
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