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die gesellschaftskritikSpitzenväter, preisverdächtig!

Eine Bäckerei verleiht Männern, die Beruf und Elternzeit vereinbaren, einen Preis. Schön, oder?

Wie kommt die erste deutsche Astronautin, Insa Thiele-Eich, ins All? Natürlich durch ihren Mann Daniel Eich! Denn er hält der Meteorologin, die 2020 zur Internationalen Raumstation fliegen wird, den Rücken frei, während sie sich auf den Orbit­aufenthalt vorbereitet. Dafür bekam Daniel Eich am Frauentag nun den Titel „Spitzenvater des Jahres“ verliehen – und dazu 5.000 Euro.

Der Väterpreis wird seit 2006 jährlich an drei Männer vergeben, das Preisgeld zahlt die Großbäckerei Mestermacher. „Zur Förderung der Männeremanzipation“, wie es im Pressetext heißt. Unterstützung gibt es von Familienministerin Franziska Giffey (SPD), die die Schirmherrschaft übernommen hat. Der „Avantgardist“ Eich, heißt es in der Begründung für die Auszeichnung, kombiniere seit Jahren Beruf und Familie und gehe sogar ein volles Jahr in Elternzeit. Es ist also endlich normal, dass Männer den Haushalt schmeißen und sich als Verantwortlicher um die Kinder kümmern. Die Familie stehe hinter den Werten, die der Preis verkörpere, twitterte Insa Thiele-Eich.

Preisträger und -verleihende müssen sich aber fragen lassen, ob die Selbstverständlichkeit von Hausmännern durch einen Preis an finanziell gut gestellte „Spitzenväter“ gefördert wird. Wir sollten keine überkommenen Erfolge feiern, wie Giffey es in ihrer Rede tut: „Eine Berufstätigkeit wird Müttern heutzutage immer seltener zum Vorwurf gemacht. Gut so!“

Ja, gut so. Aber nun werden die „Superväter“ in eine Leistungsökonomie gepresst. Der zweite Preisträger, Thorben Hinsche, „beeindruckt, weil er bereits im Grundschulalter angefangen hat, sich für gute Haus- und Familienarbeit zu qualifizieren“. Er wechselte von „der Männerdomäne Rettungs­assistent“ in die ­„Frauendomäne“ der Pflege, irre! Eich ist Produktentwickler für Finanzdaten. Seine Leistung besteht darin, Beruf und Familie zu vereinbaren, indem er die Leitung des Familienbetriebs übernimmt. Von Männern ausgeführte Care-Arbeit sollte aber nicht preisverdächtig sein. Spitzenväter seien noch nicht Alltag, verteidigte Miteignerin Ulrike Detmers die Auszeichnung im Handelsblatt. Oder will Mestermacher die Stärkung der Leistungsgesellschaft durch Vollkornbrotstullen, die die Leistungsmänner ihren Superkindern zum Frühstück schmieren? Besser wäre ein Preis für Familien, die außerhalb abgesteckter Frauen- und Männerdomänen leben. Elisabeth Nöfer

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