Spitzenpolitiker belieben zu scherzen: Fünf Freunde an der Veggie-Front
Hat Rot-Grün die Wahl schon verloren? Nö. Steinbrück, Trittin und Co. schaffen es bei einem PR-Auftritt tatsächlich locker zu wirken.
BERLIN taz | Beim Veggie-Day wird es richtig lustig. Gerade hat Peer Steinbrück, der in der Mitte dieses sehr, sehr breiten Podiums sitzt, Skepsis angemeldet. Er sei nicht sicher, ob ein per Ordnungsrecht durchgesetzter Veggie-Day wirklich sein müsse.
Dann sind die Grünen dran. „Würden wir auch nicht mitmachen“, scherzt also Katrin Göring-Eckardt. „Selbst im Konrad-Adenauer-Haus gibt es einen fleischfreien Tag pro Woche“, erzählt Jürgen Trittin. Und Winfried Kretschmann ergänzt: „Das ist ja auch gute katholische Tradition.“ Hi, hi, hi, da lacht Rot-Grün.
Die fünf SpitzenpolitikerInnen von SPD und Grünen – Hannelore Kraft aus Nordrhein-Westfalen ist auch dabei – freuen sich über ihre mehr oder weniger gelungenen Witzchen und tun auch sonst alles, um äußerst entspannt zu wirken. Humboldt Carré, Berlin-Mitte, Pressekonferenz nach einer „rot-grünen Länderkonferenz“, was eine Umschreibung ist für: Spitzenleute von SPD und Grünen treffen sich zu einem PR-Auftritt, um schöne Bilder zu erzeugen und ihr Programm zu loben.
Bleiben wir also bei einer Stilkritik, denn Neuigkeiten werden bei diesem Termin nicht verkündet. Wenn man mal die „Nachricht“ beiseite lässt, dass Steinbrück Rot-Rot-Grün nicht für alle Zeiten grundsätzlich ausschließen will, was reichlich irrelevant ist, weil er über Koalitionen nach einer Niederlage sowieso nicht mehr befinden wird.
Zum Stil also: Die fünf Freunde machen das nicht schlecht. Nach den Umfragen ist die Lage aussichtslos, Rot-Grün liegt weit hinter Schwarz-Gelb zurück, die Grünen rutschten gestern erstmals auf 10 Prozent ab. Trotzdem wirken sie locker, sogar gut gelaunt, als sei wirklich noch alles drin im September. Ist der Kampf nicht hoffnungslos? „Woher wissen Sie das? Überlassen wir es doch dem Souverän“, antwortet Steinbrück knapp. Die ständige Skepsis provoziert ihn nicht mehr, er hat sichtlich zu sich gefunden. Durchhalten, 17 Tage noch, kein Sturm knickt einen Steinbrück, so in etwa.
Finanznöte und platte Floskeln
Hannelore Kraft assistiert. Sie erklärt anschaulich die Finanznöte der NRW-Kommunen, um die Steuerpläne zu verteidigen. Sie sagt, sie glaube fest daran, dass es für Rot-Grün reiche, dass Steinbrück Kanzler werde und als solcher auch 2017 noch einmal antrete. Das ist professionell vorgeführte Autosuggestion einer Wahlkämpferin, beängstigend authentisch vortragen, und gerade dadurch empfiehlt sie sich für Höheres.
Trittin und Göring-Eckardt stellen die Energiewende in den Vordergrund, weil sie in den letzten Wochen mit grünen Kernthemen mobilisieren wollen. Den Preis für die platteste Wahlkampffloskel bekommt Trittin („die Bundeslobbykanzlerin“), der sich extra eine grüne Krawatte umgebunden hat.
Und Kretschmann? Der sagt die zwei klügsten Sätze des Tages. Als ein Reporter wissen will, ob die Grünen wirklich Spaßbremsen seien, antwortet er: „Politik macht keinen Spaß. Politik macht Sinn.“
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