Spionagevorwurf in Tunesien: UN-Experte Kartas wieder frei
Er ist wieder auf freiem Fuß, doch die tunesische Staatsanwaltschaft wirft dem Deutsch-Tunesier Moncef Kartas weiter Spionage vor.
Deutsche Diplomaten sowie der UN-Generalsekretär António Guterres hatten sich für seine Freilassung ausgesprochen. Zuletzt pochten die Vereinten Nationen am Montag auf die Immunität von Kartas, die der Sprecher der tunesischen Antiterrorbehörde jedoch nicht gegeben sah. Kartas sei privat mit seinem tunesischen Pass eingereist, so Sofian Sliti gegenüber der taz. Es würde gegen einen normalen tunesischen Staatsbürger ermittelt. Die UN hatten dem tunesischen Außenministerium die Einreise von Kartas allerdings angekündigt.
Die Position Deutschlands, das zurzeit den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates und seines Sanktionskomitees innehat, machte der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen zuletzt noch einmal deutlich: Die Überwachung des Waffenembargos sei für Libyen von zentraler Bedeutung und die Reputation der Experten müsse wiederhergestellt werden.
Seit seiner Freilassung am Dienstag wird Kartas von einem UN-Team betreut, denn die von einer Gerichtskammer gefällte Entscheidung kann von dem zuständigen Richter wieder aufgehoben werden. Die Staatsanwaltschaft wirft Kartas vor, eine Mappe mit den Standorten der tunesischen Nationalgarde und ein Gerät zur Kontrolle von zivilen und militärischen Flugbewegungen besessen zu haben.
Nach Angaben seiner Anwältin Sarah Zaafrani versuchten Kartas und andere UN-Experten, mit einem nur 30 Euro teuren, sogenannten RTL-SDR-Empfänger, von privaten Firmen gecharterte Transportmaschinen zu identifizieren, die zuvor anhand von Satellitenbildern auf libyschen Flughäfen entdeckt wurden.
Thema in TV-Talkshow
In einer Talkshow vom 18. April wurde der Fall für den Machtkampf zwischen dem tunesischen Präsidenten und dem Regierungschef genutzt. Ein Sicherheitsexperte warf dem Sicherheitsapparat des Präsidentenpalastes vor, sich abhören zu lassen. Dieser Vorwurf taucht in der Anklageschrift, die die taz einsehen konnte, jedoch nicht auf.
Anwältin Zaafrani glaubt, dass die Anschuldigungen gegen Kartas politisch motiviert sind. Das Expertenpanel hat seine Arbeit in Tunesien und Libyen mittlerweile eingestellt, da die Vereinten Nationen um die Sicherheit der Mitarbeiter fürchteten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands