Spion der Apothekerlobby: Gesundheitsminister ausgespäht
Der Spion im Gesundheitsministerium hat offenbar auch E-Mails der Minister ausgespäht. Die SPD fordert nun Aufklärung durch einen Ausschuss.
BERLIN taz | Der Datenklau im Bundesgesundheitsministerium hat noch größere Dimensionen als bekannt. So wurden nach taz-Informationen auch E-Mails an Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ausgespäht. Neben der Berliner Staatsanwaltschaft und dem Landeskriminalamt beschäftigt der Skandal nun auch den Bundestag.
„Wir müssen untersuchen, ob und welche politischen Schäden durch den Datendiebstahl entstanden sind“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, der taz. Seine Fraktion fordere deswegen die Einsetzung eines eigenen Unterausschusses zur Aufklärung. Über einen entsprechenden Antrag will der Gesundheitsausschuss des Bundestags am Mittwoch entscheiden.
Der Unterausschuss solle, so heißt es zur Begründung in dem SPD-Antrag, herausfinden, „welche Vorhaben bzw. Einzelregelungen (z. B. Apothekenbetriebsordnung, Arzneimittelpreisverordnung, Arzneimittelneuordnungsgesetz) durch den Datendiebstahl unter Umständen verhindert, befördert oder beeinflusst worden sind“.
Diese Untersuchungen seien nicht Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, aber politisch relevant, sagte Lauterbach. „Das Parlament muss diese Informationen allein schon deshalb bekommen, um gegebenenfalls notwendige gesetzliche Korrekturen vornehmen zu können“, sagte der SPD-Politiker. Im Dezember war öffentlich geworden, dass einer der Systemadministratoren des Bundesgesundheitsministeriums über Jahre Daten, vertrauliche Papiere und Schriftverkehre illegal ausspioniert und gegen Geld an einen Apothekenlobbyisten aus Berlin weitergegeben haben soll.
Bundesgesundheitsminister Bahr hatte hiervon bereits im September durch einen Anruf aus dem Umfeld des ITlers Kenntnis erhalten und Strafanzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts des Ausspähens von Daten und Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz.
Systematische Spionage
Ziel der systematischen Spionage war es offenbar, „sich über die noch geheimen Gesetzgebungsvorhaben des Ministeriums im Pharma- und Apothekenbereich zu informieren und mit diesem Informationsvorsprung entsprechende Gegenstrategien ergreifen zu können“, heißt es im SPD-Antrag.
Nach Informationen der taz wurden auch E-Mails an den Minister Daniel Bahr und dessen Amtsvorgänger Philipp Rösler (auch FDP) ausgespäht, allerdings nur eingehende E-Mails. Unabhängig von dem SPD-Antrag hat der Gesundheitsausschuss zu all diesen Vorgängen vom Ministerium einen Bericht angefordert, über den ebenfalls am Mittwoch beraten werden soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“