Spielzeugspenden in Odessa: Großer Dampfer, kleiner Traktor

Es gibt noch gute Tage in Odessa: Eine Getreidelieferung sorgt für große Aufregung. Zugleich spielen Kinder gemeinsam in einem Park „Krieg beenden“.

Eine Frau macht ein Selfie, im Hintergrund ein Hafenbecken und große Getreidespeicher

Selfie im Hafen: Frau vor dem Terminal mit Getreide in Odessa Foto: Valentyn Ogirenko/reuters

An diesem Morgen erwachte die Stadt nicht vom Luftalarm oder von Raktenexplosionen, sondern vom Dröhnen eines Dampfers. Drei Signaltöne waren vom Hafen von Odessa zu hören. Ein Schiff, beladen mit 26.000 Tonnen ukrainischem Mais, lief aus. Kinder mit vor Erstaunen geöffneten Mündern beobachteten dieses historische Ereignis. Sie verfolgten aufmerksam die Nachrichten und wollten wissen, ob der „Getreidekorridor“ funktioniert.

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Meine Söhne baten mich, das riesige Schiff bei seiner Jungfernfahrt sehen zu können. Sie hielten Pakete in ihren Händen – darin: Spielzeugautos, Soldaten und Traktoren.

Aber meine Jungs hatten nicht vor, an diesem Tag zu spielen. Am Vorabend des Ereignisses hatten Denis und Timofej alle ihre Kisten mit Spielsachen herausgeholt und begonnen, sie sorgfältig zu sortieren. Die kaputten wurden beiseitegelegt und die, die noch in gutem Zustand waren, separat aufgeschichtet.

Die Jungs waren entschlossen, bei unserem Ausflug in die Innenstadt unbedingt andere Kinder zu treffen und ihre Spielsachen mit ihnen zu teilen. Die Frontstadt Odessa hat Tausende Mi­gran­t*in­nen aufgenommen. Zu uns kommen vor allem Menschen aus Mykolajiw, Charkiw und dem provisorisch besetzten Cherson. Sie fliehen mit ihren Familien vor dem Krieg und nehmen nur das Wichtigste mit. Und da stehen Spielsachen nicht immer auf ihrer Liste.

Die Kinder wollen den Krieg beenden

In einem der Parks von Odessa hatten sich ungefähr hundert Kinder versammelt. Jemand spielte auf einem Musikinstrument, ein anderer errichtete auf einer Bank einen improvisierten Laden und verkaufte Kunsthandwerk. Das gesammelte Geld sollte an ukrainische Soldaten gehen – für den Kauf von Regenmänteln.

Gleich nachdem das Schiff den Hafen verlassen hatte, kamen wir im Park an. Unter den Mi­gran­t*in­nen gab es kein anderes Gesprächsthema. Manche von ihnen hörten zum ersten Mal das Grollen eines Dampfers und erschraken.

Stolz hielten meine Söhne ihr Paket anderen Kindern entgegen. Ich weiß, dass darin ihre Lieblingsspielsachen waren. Vor allem ein Traktor. Ihn nahmen die Kinder zuerst, um damit zu spielen. Sie hängten einen Spielzeugpanzer an ihn an und legten los mit den Worten: „So werden wir den Krieg beenden.“

In der Ukraine sind solche Geschichten tatsächlich passiert. Traktorfahrer nahmen die von den Besatzern zurückgelassenen Panzer in Besitz und übergaben sie den ukrainischen Soldaten, wofür sie den Titel „Traktortruppen“ erhielten.

Kleine Taten

Für meine Kinder war das ein glücklicher Tag. Sie haben gesehen, dass die Welt die Ukraine weiterhin unterstützt, dass unser Getreide erwartet wird und das Schiff auf eine große Reise gegangen ist. Und sie haben noch etwas gesehen: Dass sie selbst mit einer kleinen Tat anderen Kindern helfen können, sich zu entspannen und zumindest für eine Weile zu vergessen, was um sie herum passiert.

Aus dem Russischen von Barbara Oertel

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ist Chefredakteurin des ukrainischen Nachrichtendienstes USI.online. Sie ist Mutter von zwei Kinder (9 und 12).

Eine Illustration. Ein riesiger Stift, der in ein aufgeschlagenes Buch schreibt.

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