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Spielfilm „Whatever Happens Next“Magie der Verweigerung

Driften in die Absichtslosigkeit: Julian Pörksen erzählt in seinem Spielfilm „Whatever Happens Next“ so leicht wie unberechenbar.

Vagabund von abgrundtiefer Sorglosigkeit: Sebastian Rudolph in „Whatever Happens Next“ Foto: StoryBay

Aussteiger, das sind Leute mit Campingbus oder schwerem Motorrad, irgendwo an einem Ort, der durch sie zum Hotspot werden könnte. In jedem zweiten Werbe­clip versprechen Aussteiger mit exquisitem Zubehör die große Freiheit vom Alltag. Man muss groß einkaufen, um aussteigen zu können. Der Ausbruch aus der Norm ist längst zur Marke geworden.

Julian Pörksen hat andere Vorstellungen von einem guten Leben, zumindest verirrt er sich mit seinen dysfunktionalen Typen gern in die Suche danach. Sein erster Film hatte einen langen Titel wie ein Beat-Poem, „Sometimes we sit and think and sometimes we just sit“. Er handelte von einem 50-jährigen Mann, der ins Altersheim zieht, um einfach Schluss zu machen mit Leistung und Konsum. Solch ein Rückzug in die Untätigkeit macht die Umwelt sehr nervös und führt bei allen anderen außer dem passiven Zeitgenossen zu erhöhter Betriebstemperatur.

Für Pörksen, der außer Filmen auch noch Theater macht und derzeit als Dramaturg am Kölner Schauspielhaus beschäftigt ist, war das Thema Zeitverschwendung viel zu schön, um es fahren zu lassen.

Er dachte über milde Akte der Unterbrechung vom Zwang zur Produktivität nach, schrieb ein Buch, das leider als Ratgeber missverstanden wurde, und so war das Drehbuch zu „Whatever Happens Next“ der logische Dreh zu einer neuen Sicht auf das Thema Magie der Verweigerung.

Pauls Reise in Whatever Happens Next nimmt gefangen wie ein etwas abseitiges Märchen

Hier ist von Rückzug nämlich nicht mehr die Rede, der Mann im Mittelpunkt geht vielmehr auf und davon und gerät immer neu in Begegnungen, die eine Geschichte auslösen. Glück hat dieser Paul Zeise (Sebastian Rudolph), selbst wenn er seinen Stoffbeutel verliert und Geld und Schuhe gestohlen werden. Was immer es ist, das Paul in die Auszeit treibt, seine Reise nimmt gefangen wie ein etwas abseitiges ­Märchen.

Alles scheint möglich

Es fängt harmlos an: Der hagere Typ mittleren Alters verlässt sein still daliegendes Eigenheim, steigt wohlbehelmt auf sein Fahrrad und radelt auf einer stillen Landstraße. Ein Rauschen, zarter als die dröhnenden Psycho-Sounds im Genre-Kino, kündigt eine innere Erleuchtung an. Paul stoppt, nimmt den Helm ab, lehnt das Fahrrad an und geht zu einem tollen Stück Rockmusik über eine große Weide auf den Wald zu. Filmmusiken von Blues bis Jazz, in jeder Episode mit eigenem Touch, machen Pauls Driften in die vollkommene Absichtslosigkeit zu einem leichtsinnigen Spiel.

Der Film

„Whatever Happens Next“. Regie: Julian Pörksen. Mit Sebastian Rudolph, Lilith Stangenberg u. a. Deutschland/Polen 2018, 97 Min.

Der Mann in „Whatever Happens Next“ setzt sich zum Beispiel zu einem Friedhofsarbeiter ins Auto, gibt sich als Tramper zu erkennen und wird mitgenommen, er „leiht“ sich sogar ein paar Euro. Bei einer familiären Beerdigungsfeier setzt er sich an den Tisch, geht gutmütig auf die bizarre „Ich habe Aids“-Story seiner dementen Nachbarin ein, will sogar mit ihr ins Kino. Paul schnorrt, lächelt und überlässt seinem Gegenüber die Freiheit, ihm zu trauen oder nicht.

Diesem sorglosen Taugenichts – Julian Pörksen hat viel für Joseph von Eichendorffs romantische Parallelwelt übrig – stellt er einen anderen Mann gegenüber, auch einen Loner, der es mit sich selbst gut aushält. Ulrich Klinger (Peter René Lüdicke) ist von Pauls Frau Luise (Christine Hopp) engagiert worden, um den Abgetauchten zu suchen. Wie es funktionieren soll, einen Mann ohne Handy-Ortung, Hotelbuchung und Polizei zu finden, ist ein Spiel mit vielen, beiläufig fabulierten Zufällen. Die Gespräche, die Klinger führt, bringen ihn der abgrundtiefen Sorglosigkeit seines Beobachtungsobjekts näher. Alles scheint möglich, selbst eine Nacht mit Pauls Frau, als beide in der „Kiel-Situation“ lange auf den Abtrünnigen warten.

Gemischtes Doppel unmöglicher Lieben

Dessen Reise hatte von Leipzig nach Łódź geführt, in ein Land, dessen Sprache er nicht spricht, und in ein Krankenhaus, in dem er gleichmütig beteiligt/unbeteiligt einen Kranken bis zum Tod begleitete. Schlau zu werden aus diesem Vagabunden, diesem ewigen Passagier und Drifter macht der Film nicht gerade leicht.

taz am wochenende

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An einer nächtlichen Tankstelle trifft Paul auf Nele (Lilith Stangenberg), eine federleicht flirtende und streitende Borderlinerin, die ihm Unterkunft in Kiel anbietet, nur ein paar Tage in der hässlichen Stadt, von der er vorher einem anderen Reisebekannten erzählte, der es dem Privatdetektiv weitergab. So führt Julian Pörksen sein gemischtes Doppel unmöglicher Lieben durch ein paar Kilometer Luftlinie getrennt zusammen.

Aber die Rückkehr ins Eigenheim oder ein Neuanfang mit Nele wären in solch einer skurrilen Komödie unter Niveau. Stattdessen inszeniert Julian Pörksen eine Begegnung zwischen Paul und dem Privatdetektiv, die alle Genre-Regeln bricht. Wo findet ein Privatdetektiv sonst einen Verlorenen Eis essend auf dem Spielplatz? Wie kann das enden? Vielleicht nie.

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