„Spiegel Daily“ als tägliches Newsprodukt: Linsencurry und Fernsehtipps
„Der Spiegel“ hat einen neuen Ableger. „Spiegel Daily“ ist ein Versuch, den klassischen journalistischen Gatekeeper wieder zu etablieren.
Neben der aktuellen Lage (Erstausgabe: Trump und Russland, Koalitionsgepoker in NRW, das Update zu den Cyber-Gangstern), Porträts, Reportagen und (Video-)Interviews empfiehlt Daily in der Rubrik „Mein Abend“ etwas im Fernsehen, ein Buch und für alle, die gerade ohnehin an einem Supermarkt vorbeikommen, auch noch das „Abendessen in 30 Minuten“ (der erste Daily-Abend bringt Gratinierte Lachsschnitte auf Linsencurry).
Für später wartet sogar noch eine „Gute Nacht-Geschichte“. Was soll man sagen: Info und Service zum richtigen Zeitpunkt gebündelt – ja, dieses Modell könnte durchaus ziehen.
Natürlich ist Daily ein Frontalangriff auf Tageszeitungen. Der Spiegel wird damit mancherorts sicher Existenzängste stärken, bestenfalls aber ja auch Veränderung treiben, wo sie bitter nötig ist. Viele Zeitungen mögen sich insgesamt auch eher behäbig bewegen, allein: Mancherorts haben sich Verlagsleitungen längst auf das digitale Zeitalter eingestellt, denn auch klassische Zeitungen produzieren – wie nun der Spiegel – häufig digitale Abendausgaben, wie es sie früher auf Papier noch zuhauf gab (Frankfurter Rundschau am Abend) und mancherorts auch noch gibt (Münchner Abendzeitung).
Schneller produzieren?
Was früher die Abendzeitungen waren, sind heute eben die Digitalausgaben. Auf die taz können LeserInnen via Smartphone oder Tablet-Computer genauso bereits am Abend zugreifen wie auf FAZ, Süddeutsche Zeitung oder viele regionale Titel. Sie alle erscheinen nun aber allesamt später als Daily.
Die Süddeutsche ist mit 19 Uhr schon früh dran. Und Daily hat sich noch eine Rubrik ausgedacht, die letztlich simpel ist, aber auch genial: Im Ressort „Social“ sammeln die JournalistInnen, was tagsüber im Netz los war. Motto: Wer seinen Tag nicht am Handy verdaddeln konnte, sondern etwa Bus und Bahn gesteuert oder Klamotten verkauft hat, kann auf dem Sofa oder in der Kneipe mitreden.
Verlagsmanager jenseits des Spiegel werden sich nun ein paar Fragen stellen müssen: Sollten sie künftig deutlich schneller produzieren als sie es jahrzehntelang für den Redaktionsschluss am Abend getan haben – oder wollen sie, dass sich der Spiegel die Pendler schnappt? Oder auch: Wenn der Spiegel News, Tiefgründiges und Service für keine zehn Euro im Monat auf den Markt wirft, können sie dann noch so viel für ihre Digitalausgaben verlagen wie einst für ihre gedruckten Zeitungen? Viele tun genau das.
Daily hat jedenfalls das Potenzial, die Branche zu verändern – wenn das Produkt tatsächlich zündet. Auf den ersten Blick spricht zumindest einiges dafür.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee