Spenden bei Volksentscheiden: Wowereit will Geld sehen
Der Regierende Bürgermeister kritisiert, dass der Senat bei Volksentscheiden weniger Geld habe als die Gegenseite. Deren Spenden sollten umfassender offengelegt werden - nicht erst ab 50.000 Euro.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sieht bei Volksentscheiden ein zu großes finanzielles Ungleichgewicht zwischen beiden Seiten. Bei der am 26. April anstehenden "Pro Reli"-Abstimmung könnte der Senat und die ihn tragenden Parteien nicht mit der finanziellen Ausstattung der Initiatoren mithalten; ebenso sei es beim Streit über den Flughafen Tempelhof im vergangenen Jahr gewesen. "Hier gibt es doch gar keine Waffengleichheit, und das finde ich durchaus problematisch", sagte Wowereit im taz-Interview. Als mögliche Gegenmaßnahme sprach er sich für mehr Spendentransparenz aus.
Wowereit nannte es "richtig und fair", wenn die Träger eines Volksbegehrens ihre Spenden stärker offenlegen müssten. "Die Parteien müssen es ja auch - warum sollte es dann nicht genauso in diesem Bereich gelten?" Beim Volksentscheid zu "Pro Reli" geht es um die Frage, ob Schüler künftig zwischen Religion und dem bisher für alle verpflichtenden Fach Ethik wählen können.
Bislang ist bei Volksbegehren lediglich vorgeschrieben, Zuwendungen einzelner Spender ab 50.000 Euro sofort anzuzeigen. Zuständig ist die Innenverwaltung des Senats, der bislang keine solche Meldung vorliegt. Das Verfahren entspricht in etwa den Vorgaben für Parteien: Sie müssen Einzelspenden ab dieser Höhe dem Präsidenten des Bundestags unverzüglich melden.
Das Parteiengesetz legt den Parteien in Paragraph 25, Absatz 3 aber zudem eine wesentlich weitergehende Pflicht auf: "Spenden, deren Gesamtwert in einem Kalenderjahr 10.000 Euro übersteigt, sind unter Angabe des Namens und der Anschrift des Spenders im Rechenschaftsbericht zu verzeichnen." Eine solche Verpflichtung findet sich im Gesetz zu Volksbegehren und Volksentscheiden nicht.
Nach Wowereits Schätzung standen den Initiatoren des im April 2008 gescheiterten Volksentscheids zum Flughafen Tempelhof mindestens 5 Millionen Euro zur Verfügung. Ein vor allem von SPD, Linkspartei und Grünen getragenes Gegenbündnis gab damals nach eigenen Angaben 110.000 Euro aus. Samt weiterer Aufwendungen der Parteien und anderer Organisationen gilt ein Etat von einer Viertelmillion Euro als realistisch.
Auch für die aktuelle Auseinandersetzung zum Thema "Pro Reli" fließt eher wenig Geld in die Gegenkampagne. Die SPD will rund 40.000 Euro investieren, die Linkspartei 35.000 bis 40.000 Euro. Die Grünen engagieren sich mit rund 6.000 Euro. Die Parteien begründen das vor allem damit, dass ihre Etats wegen der Europa- und Bundestagswahl in diesem Jahr schon stark belastet sind. Zum Vergleich: In den Abgeordnetenhaus-Wahlkampf 2006 steckte die SPD 1,4 Millionen Euro.
Die "Pro Reli"-Initiatoren hatten zwar in Aussicht gestellt, nach Abschluss der Kampagne möglicherweise über die Spendenhöhe zu informieren, Klaus Wowereit aber mag sich auf freiwillige Angaben nicht verlassen: "Wir haben es ja bei Tempelhof erlebt: Die damaligen Spendernamen sind bis heute nicht veröffentlicht, obwohl man es versprochen hatte."
interview SEITE 23
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen