piwik no script img

Spekulative TV-Serien über MozartAngenehm respektlos

Zwei neue Serien über Mozarts Leben und Wirken verdrehen die reale Kulturgeschichte und widmen sich den Frauen im Umfeld des Komponisten.

Sie gestatten? Mozart Foto: :WDR/Story House Pictures GmbH/dpa

Ein Mozart-Jubiläum steht derzeit nicht an. Dennoch starten in der Vorweihnachtszeit zwei Miniserien, die sich mit Leben und Wirken des Musikgenies beschäftigen, das Ende Januar vor 270 Jahren in Salzburg zur Welt kam.

Den Aufschlag macht die ARD mit dem Sechsteiler „Mozart/Mozart“. Er macht aus den Wiener Jahren des jungen Komponisten ein durchgeknalltes, ahistorisches Popspektakel. Die Regisseurin Clara Zoë My-Linh von Arnim ist bekannt für die prämierte Serie „Die Zweiflers“ und zuletzt „Marzahn Mon Amour“.

In „Mozart/Mozart“ erzählt sie auch die Geschichte von Mozarts Schwester Maria Anna (Havana Joy). Das Nannerl, wie sie genannt wurde, stand stets im Schatten ihres genialen Bruders Wolfgang (Eren M. Güvercin). Aber da das jugendliche Musikgenie in der Serie mit zunehmendem Alter und rebellischem Gehabe oft betrunken oder mit Laudanum zugedröhnt in der Ecke liegt und gar nicht mehr spielen kann, verkleidet sich die Schwester kurzerhand als Mozart und musiziert am Wiener Hof, um Kaiser Joseph zu unterhalten.

Da sie wirklich ambitioniert ist, schreibt sie auch gleich noch die Oper „Die Entführung aus dem Serail“, während Bruder Wolfgang Amadeus notfallmäßig zur Entgiftungsreha in einer frühneuzeitlichen Nervenklinik am Stadtrand weilt.

Die Serien

Mozart/Mozart“, 16. & 17.12., 20.15 Uhr und ARD-Mediathek Amadeus, ab 21.12., Sky & WOW

„Mozart/Mozart“ inszeniert das Geschwisterpaar als urbane Hipster im imperialen Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Im Habsburger-Schloss wie in den Kaschemmen der Stadt werden wilde Partys gefeiert. Das macht als opulente Produktion einiges her, hat mit der realen Geschichte des Komponisten aber wenig zu tun.

Rotzfrech weitergesponnen

Mozarts Musik kommt in der Serie kaum vor. Nur in der Anfangsszene spielen der 6-jährige Wolfgang und seine vier Jahre ältere Schwester gemeinsam die berühmte Sonate in C-Dur (Sonata facile, KV 545), ein Standardklavierstück, um Fingerläufe zu üben.

Doch das komponierte Mozart eigentlich erst im Alter von 32 Jahren. Auf einer Party am Wiener Hof, wo die französische Königin Marie-Antoinette (Verena Altenberger) ihrem griesgrämigen Bruder Kaiser Johann (Philipp Hochmair) zeigt, wie man richtig feiert, tritt eine Sopranistin auf, die eher nach zeitgenössischem Pop klingt.

Und auch bei anderen Gelegenheiten, wenn Mozarts Schwester etwa dirigierend im Konzertsaal steht, sind popmusikalische Klangteppiche zu hören, statt wirklicher Kompositionen Mozarts. Für musikalische Puristen ist diese hanebüchene Geschichte, in der sich Mozarts Schwester auch noch in Hofkapellmeister Salieri (Eidin Jalali) verliebt und Marie-Antoinette ein wildes Tête-à-Tête mit Wolfgang Amadeus erlebt, nichts.

Aber die rotzfreche, kreative Art so frei mit der Biografie eines großen Mannes umzugehen und zur Abwechslung der manipulative Bösewicht Salieri mal von den Frauen erzählt, die sich damals unterzuordnen hatten, was sie hier aber explizit nicht tun, hat seinen ganz eigenen Charme. Auch wenn das stellenweise in eine simpel gestrickte Herz-Schmerz-Schmonzette abrutscht.

Weitaus werkgetreuer, zumindest hinsichtlich der Musik, ist die Sky-Serie „Amadeus“, ein Remake des Miloš Forman-Films (1984) gleichen Titels, in dessen Zentrum die Feindschaft von Mozart und Antonio Salieri steht.

Die ist eigentlich eine Erfindung von Alexander Puschkin, der 1830 daraus ein Versdrama machte, das Ende der 1970er Jahre vom britischen Dramatiker Peter Schaffer erfolgreich für die Bühne adaptiert und dann von Miloš Forman verfilmt wurde. Im Sky-Fünfteiler spielt Paul Bettany hingebungsvoll verzweifelt, hinterhältig und stocksteif angespannt (als hätte er einen Kochlöffel verschluckt) den eifersüchtigen Hofkapellmeister Salieri, der im Schatten des Genies Mozart (Will Sharpe) steht, „durch den Gott spricht“, wie es immer wieder so schön heißt.

Im Gegensatz zur Verfilmung von 1984 ist Mozart hier kein gackernder Clown, sondern ein getriebener, vielschichtiger Charakter, der unter seinem Genie leidet. Außerdem hängt Mozart im nicht auflösbaren Streit mit seinem Vater fest und zündet irgendwann in dessen Haus sogar das Klavier an, auf dem er als Kind spielen musste. Und immer wieder geht es auch um die prekären ökonomischen Zwänge, unter denen die Familie Mozart zu leiden hat.

Manipulativer Bösewicht Salieri

Deutlich mehr Raum als in Formans Film erhält in der Sky-Serie Mozarts Ehefrau Constanze (Gabrielle Creevy), die ihre musikalischen Ambitionen als Opernsängerin zugunsten des Ehemannes hintenan stellen muss. Sie ist es dann auch, die Salieris halluzinatorisches Geständnis entgegennimmt, er habe Mozart ermordet.

Die Serie handelt von der Perspektive der Ehefrau, die für die Carearbeit zuständig ist, während der große Ausnahmekünstler gar nicht in der Lage ist, sich um seine Familie zu kümmern. Der Fünfteiler ist den großen musikalischen Werken Mozarts auf der Spur und verwebt biografische Traumata mit seinen Kompositionen.

Dabei fabuliert die Serie fleißig vor sich hin und geht sehr frei mit der Geschichte um. So kommt es bei der Premiere von „Don Giovanni“ in Wien zu Krawallen im Opernhaus, was auch gleich zu politischen Verwicklungen führt. Und von Wiener Freimaurern wird Mozart sogar wegen der „Zauberflöte“ in einer dunklen Gasse zusammengeschlagen, weil er in der Oper angeblich Logen-Interna ausgeplaudert habe.

Das alles orchestriert natürlich der manipulative Bösewicht Salieri, der dann dem todkranken Mozart aufträgt, ein Requiem zu schreiben. Am Ende tritt dann sogar noch ein junger Alexander Puschkin auf, der die gealterte Constanze nach Mozarts Feindschaft zu Salieri befragt, weil er darüber schreiben will.

Das Schlusswort dieser sehenswerten Verfilmung hat der gescheiterte Antonio Salieri bzw. Paul Bettany auf einer Theaterbühne des 20. Jahrhunderts mit Peter Schaffers finalem Monolog seines Stückes. So unterschiedlich diese beiden, kaum miteinander vergleichbaren Serien in ARD und Sky auch sind, berichten sie doch ausführlich von den Frauen aus Mozarts Leben, deren musikalischen Ambitionen. Sie lassen ihnen auf wohltuende Weise mehr Raum als in bisherigen Erzählungen.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare