Spekulation mit Nahrungsmitteln: Deutsche Bank zockt mit dem Tod
NGOs geben der Deutschen Bank eine Mitschuld für explodierende Lebensmittelpreise. Mit der Spekulation auf Nahrung trage sie zu Hungerkrisen bei.
BERLIN taz | Schon in der Vergangenheit wies der Chefvolkswirt der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (Unctad) Heiner Flassbeck immer wieder darauf hin: Die politischen Unruhen der vergangenen Jahre sind nicht allein auf den revolutionären Geist zurückzuführen.
Viele Menschen seien auf die Straße gegangen, weil sie schlicht Hunger hatten. Und ein erheblicher Preistreiber waren die Nahrungsmittelspekulanten auf den internationalen Finanzmärkten. Nun weisen Nichtregierungsorganisationen nach: Einer der größten Akteure dabei ist die Deutsche Bank.
Eine gemeinsam von Misereor, Oxfam und Weed in Auftrag gegebene Studie des niederländischen Forschungsinstituts Somo kommt zu dem Ergebnis: Mit Investitionen in Höhe von knapp 5 Milliarden US-Dollar ist die Deutsche Bank die Nummer 1 unter den Nahrungsmittelspekulanten auf den Weltfinanzmärkten. Insgesamt habe das Unternehmen bis Ende 2010 45 Agrarrohstofffonds aufgelegt. "Solange sie mit Essen spielt, riskiert sie den Hungertod von Menschen", kritisierte Marita Wiggerthale von Oxfam Deutschlands größte Bank.
Weizenpreise um 127 Prozent gestiegen
Oxfam, Weed und Misereor berufen sich unter anderem auf die Weltbank, die schon 2007/2008 Investmentfonds der Deutschen Bank angeprangert und für die Preisexplosion der Nahrungsmittelpreise verantwortlich gemacht hat. Von Januar 2005 bis Juni 2008 waren allein die Weizenpreise um 127 Prozent gestiegen, Maispreise hatten sich verdreifacht.
Es wird vermutet, dass sich rund 100 Millionen Menschen infolge der Preisexplosion nicht mehr ausreichend Nahrungsmittel leisten konnten und hungern mussten. Die Bilder von revoltierenden Hungernden auf Haiti und im Niger sind noch präsent. Die Weltbank sah in 33 Ländern die unmittelbare Gefahr von Hungerrevolten.
Und auch die Hungersnöte vergangenes Jahr am Horn von Afrika dürften im Zusammenhang mit explodierenden Lebensmittelpreisen auf den Finanzmärkten stehen. Die Rohstoffwerte waren zur Jahresmitte wieder auf exorbitante Höhen gestiegen. Die starken Schwankungen der Nahrungsmittelpreise ließen sich nicht nur mit Ernteerträgen, der Nachfrage und den Lagerbeständen erklären, so Wiggerthale.
Vorwürfe werden geprüft
Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Machenschaften auf den Finanzmärkten und den Hungerkatastrophen der vergangenen Jahre möchte die Deutsche Bank nicht zugeben. Sie bestreitet ihn aber auch nicht.
"Wir nehmen das Thema sehr ernst und haben zugesagt, dass wir die Vorwürfe sorgfältig prüfen", sagte ein Sprecher auf Anfrage. Diese Prüfung laufe jedoch noch. Er wies daraufhin, dass eine Reihe weiterer Studien zum Thema Rohstoffhandel erschienen sei, die in die Bewertung noch einbezogen werden müssten.
Die Nichtregierungsorganisationen fordern dagegen, dass die Bank bis Ende Januar aus der Nahrungsmittelspekulation aussteigt. In einer globalisierten Welt müsse sie gegenüber den Ärmsten Verantwortung übernehmen, verlangt Misereor-Geschäftsführer Josef Sayer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren