Spektakuläre Ausstellung in Paris: Mode, Geld und Kunst
Die Fondation Louis Vuitton zeigt in Paris die Sammlung Morosow. Das ist eine atemberaubende russische Kunstkollektion mit Werken der Moderne.

Der Eiffelturm beherrscht immer noch das Stadtbild von Paris, aber an den Champs-Élysées prägen es die angesagten Modehäuser der weltbekannten französischen Luxusmarken. Sie konnten selbst während der Pandemie ihre Gewinne steigern, etwa Dior und Louis Vuitton. Beide Marken gehören zum Wirtschaftsimperium von Bernard Arnault, der auch als Liebhaber der schönen Künste bekannt ist.
Sein Luxus-Label LVMH erbringt satte Erträge und inzwischen wird neben Mode auch mit anderen angesagten Dingen Geld verdient, wie dem kreiselförmigen Lautsprecher von Louis Vuitton „Horizon Light Up“ im Space-Design. Aus den Gewinnen speist sich die Louis-Vuitton_Stiftung, die seit 2014 in einem futuristischen Bau von Frank Gehry im Bois de Boulogne mit museumsreifen Ausstellungen überzeugt. Verantwortlich ist die Kunsthistorikerin Susanne Pagé, agiert aber stets in Abstimmung mit dem Präsidenten der Stiftung, Bernard Arnault, wie explizit betont wird.
Das reichlich vorhandene Geld setzen beide in qualitativ schwer zu übertreffende Ausstellungen um. 2016 etwa verkaufte die Institution rekordverdächtige 1,2 Millionen Tickets, als die Sammlung des russischen Kunstenthusiasten Sergei Iwanowitsch Schtschukin gezeigt wurde, der mit Vorliebe Monet, Picasso, Matisse und russische Avantgarde erwarb.
Mit einjähriger Corona-Verspätung präsentiert die Fondation Louis Vuitton jetzt die zweite bedeutende russische Sammlung französischer und russischer Moderne, die der Brüder Morosow. Die Ausstellung ist von atemberaubender Qualität, die kuratorische Philosophie von Anne Baldassari zeigt sich nicht zuletzt in der Perfektion von Inszenierung und Lichtregie.
Bis 22. Februar, Fondation Louis Vuitton, Paris, Katalog 49,90 Euro
Die beiden Brüder Michail (1870–1903) und Iwan Morosow (1871–1921) machten ihr Vermögen in der Textilbranche, wie ihr kunstbesessener Mentor, Sergei Schtschukin. Gemeinsam plante man sogar ein Museum französischer zeitgenössischer Kunst in Moskau, aber dazu kam es nicht.
Die Moderne entdecken
Bei den Morosows war Malerei Teil ihres Alltags, sie malten selbst. In ihrem Sammeln konzentrierten sie sich zunächst auf die Werke russischer Zeitgenossen wie Larionow, Repin, Wrubel, Serow, bevor sie im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, bei verschiedenen Reisen nach Paris, die französischen Impressionisten, Postimpressionisten, Kubisten und die gesamte Moderne entdeckten.
Diese Kunst war damals noch umstritten und ihre Protagonisten galten als Außenseiter des Pariser Salons. Die Morosows begannen sie zu sammeln und zu fördern und inspirierten damit eine ganze Generation russischer Künstlerinnen und Künstler, wie es die Ausstellung thematisiert, indem sie russische und französische Kunstwerke in Dialog setzt.
Auguste Renoirs Porträt von Jeanne Samarys lächelt einen an und man glaubt sie und viele andere Porträts und Kunstwerke zu kennen, so vertraut sind sie uns durch Abbildungen – sind sie doch allesamt ikonische Werke der Kunstgeschichte. Allein die Bilder von Paul Cézanne und Henri Matisse füllen jeweils einen ganzen Saal; Van Goghs „La Ronde des prisonniers“ (Die Runde der Gefangenen) hängt allein in einem abgedunkelten Raum, wodurch das Dramatische der Gefängnisszene gesteigert wird.
Picasso in Russland
Iwan Morosow brachte auch das erste Bild von Pablo Picasso nach Russland, „Les Saltimbanques“ (Die Gaukler), auch das einzige Bild von Edward Munch, das sich bis heute in Russland findet, kaufte er, aber Künstlerinnen finden sich hier nur vier. Zwei Bronzeskulpturen von Camille Claudel fallen durch ihre Leichtigkeit ins Auge und sind neben Skulpturen ihres Kollegen Auguste Rodin beziehungsvoll platziert. Natalja Gontscharowas Abstraktionen sind mit Malewitschs Werken in Kontext gesetzt; gerne hätte man mehr von ihren Arbeiten gesehen.
Iwan Morosow gab bei Pierre Bonnard fünf monumentale Werke für seine Wohnräume in Auftrag. Im eins zu eins in der Ausstellung nachgebauten weißen Saal, dem Musiksalon in Iwan Morosows Haus, haben Skulpturen von Aristide Maillol und Wandgemälde von Maurice Denis ihren großen Auftritt, wobei das Publikum einen Eindruck vom verlorenen Ambiente des russischen Großbürgertums bekommt.
Insgesamt ist die Inszenierung der Morosow-Sammlung darauf angelegt, das Besondere, das Avantgardistische jedes einzelnen Kunstwerks hervorzuheben und den Betrachter*innen Raum zum Nachdenken zu geben. Gleichzeitig ist man aber wie betäubt von der Fülle und der Schönheit der Kunst und ahnt dann auch dunkel das logistische Meisterwerk dahinter.
Von Stalin verbannt
Dabei sind die enormen Versicherungssummen noch das geringste Problem, bedenkt man, dass die Veranstaltung zunächst ein hochkarätiger politischer Akt ist, unter Schirmherrschaft des französischen und des russischen Präsidenten.
Die Leihgaben kommen aus russischen Museen, vor allem aus dem Puschkin-Museum und der Tretjakow-Galerie in Moskau und der Eremitage in St. Petersburg, denn die Morosow-Sammlung, wie die Schtschukin-Sammlung, wurde nach der Revolution entwendet, verstaatlicht und von Stalin in diverse Museumskeller verbannt.
Auch dieser unrühmliche Teil der Geschichte wird ausführlich und mit Blow-ups von Originalfotos dokumentiert. Erst nach Maueröffnung und Perestroika Anfang der 90er Jahre wurden die Kunstwerke wieder in die Ausstellungsräume der Museen integriert und der russischen Öffentlichkeit gezeigt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!