Speicherung von Surf-Daten: Wenn Konzerne mitloggen
Egal ob man ein Programm startet, auf Newsseiten surft oder sein Smartphone einschaltet – überall hinterlässt man Spuren. Der Umgang mit diesen Daten ist bisher kaum geregelt.
Wenn man früher zu einem Kiosk ging und sich eine Zeitung besorgte, erfolgte die anschließende Lektüre völlig anonym: Niemand erfuhr, dass man den Politikteil rasch überblätterte, um sich schnurstracks an den jüngsten Abenteuern von "Schweini", "Poldi" und Co. zu delektieren.
Im Internet ist das nicht so: Bei jedem Aufruf eines Dokuments im Web wird irgendwo mitgezeichnet, was man abgerufen hat. Der Fachbegriff nennt sich "Logging" und der digitale Ordner, in dem diese Daten landen, "Log-Datei". So lassen sich Wege rückverfolgen – wer wann wo in eine Seite eingestiegen ist und wo sie wieder verlassen wurde.
Doch die Server-Betreiber sind nicht die einzigen, die Informationen über die Nutzung speichern. Marketingfirmen und Werbepartner, deren Banner und Textreklame nachgeladen werden, erfassen für ihre Abrechnung ebenfalls jeden Abruf.
Das Mitloggen geht längst über die Web-Nutzung hinaus. Zahlreiche Programme besitzen Routinen, die bei ihrem Start "nach Hause telefonieren". Im harmlosesten Fall tun sie dies zur Überprüfung, ob ein neues Update vorliegt – aber auch, um Nutzungsmuster zu erfassen oder Raubkopien zu verhindern. Auch moderne Smartphones melden sich gerne bei ihrem Hersteller, ohne dass Nutzer das explizit mitbekämen.
So kam es im vergangenen Jahr zu einem kleinen Skandal, als bekannt wurde, dass jeder einzelne der brandneuen Palm Pre-Geräte sich einmal am Tag mit der aktuellen Nutzungsstatistik, möglichen Abstürzen des Gerätes, sowie dem ungefähren Ort des Benutzers an einen Server in Amerika zurückmeldet. Den Vorgang hatte sich Palm in seinen AGBs abnicken lassen und begründete ihn mit dem Verlangen, "die Nutzererfahrung noch besser zu machen".
Doch wie gefährlich ist das Mitloggen all dieser Infos überhaupt? Gespeichert wird – neben der jeweiligen Aktion des Nutzers vom Betrachten einer Web-Seite bis zum Download eines Videos – üblicherweise die so genannte Internet-Protokoll-Adresse (IP).
Diese Zahlenkombination bekommt ein Kunde automatisch bei der Einwahl ins Netz von seinem Breitband-Provider zugeteilt – sie sorgt im Internet dafür, dass angefragte Daten auch ans Ziel kommen. Da IPs derzeit zumeist dynamisch vergeben werden, weiß zunächst nur der Provider, wer wann hinter welcher Adresse steckt. Allerdings erlauben mittlerweile überarbeitete Urheberrechtsgesetze, dass Anwaltskanzleien bei Verdacht des Raubkopierens über Gerichte an die Namen hinter IPs gelangen. Gleiches gilt auch für Polizeibehörden oder Geheimdienste; IPs sind also keineswegs "anonym".
Oft landen die beim Surfen und der Computerbenutzung entstandenen und potenziell sensiblen Infos auf Servern im Ausland, für die der verhältnismäßig strikte europäische Datenschutz nicht mehr gilt. Zugriffsrechte für staatliche Stellen, Drittfirmen oder auch die Speicherdauer bleiben im Dunkeln oder stecken in wortreichen "Privacy Policy"-Dokumenten. Hinzu kommt die Diskussion darüber, was überhaupt als "persönliche Daten" gilt: Während zum Beispiel der Internet-Riese Google darauf pocht, IP-Adressen seien gar nicht personenbezogen, weil man ohne den zugehörigen Provider (oder gerichtliche Hilfe) nicht an den Namen des Nutzers gelangt, sehen das Datenschützer ganz anders.
Die Situation könnte in den nächsten Jahren noch schlimmer werden. Mit der Einführung des neuen Internet-Protokolls IPv6, das den IP-Adressraum radikal erweitert, wird es viel leichter möglich werden, jedem Nutzer seine eigene, persönliche "Anschrift" zu vergeben, die dann noch leichter rückverfolgbar sein wird als heute. Schon fordern Politiker so genannte "Internet-Ausweise", die der Anonymisierung im Netz einen vollkommenen Riegel vorschieben. Ob man dann noch will, dass jeder kleine Nutzungsvorgang auf dem eigenen Rechner mitgeloggt wird?
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