Sparmaßnahmen: Noch gut genug für Parteitage
Nach dem Rasenmäher-Prinzip werden den Bürgerhäusern ab 2011 sechs Prozent der Zuwendungen gestrichen. Dabei kalkulieren sie schon heute scharf.
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Fröhlich trällernd sitzt Madame Fifi, alias Gabriele Parnow-Kloth, mit ihrer Bulldogge Pierre in der Badewanne und erschrickt gar fürchterlich als die heimatsuchende Ratte Ratz ihr das Handtuch reichen will. "Iiiih!", schreit sie mit französisch verstopfter Nase. "Eine Ratte in meinem Haus? Mon dieu!" Die Kinder im Publikum, die sich vor ihr in der ersten Reihe auf Wolldecken zusammenkuscheln, lachen.
Beim "Sonntagsplatz" wird Kindern und ihren Eltern im Bürgerhaus Wilhelmsburg ein umfangreiches Programm geboten. Nach einem kleinen Theaterstück und sehr preiswertem Mittagstisch wird passend zum Thema des Stücks gebastelt. Heute fertigen die Kinder aus Schuhkartons ihre eigenen glitzernden Traumhäuser.
Was davon bleiben kann, ist offen, denn nach einem Beschluss des schwarz-grünen Senats müssen alle Bürgerhäuser sechs Prozent ihres Etats einsparen. Seitdem sie das erfahren hat, bringt Bettina Kiehn, Vorstand des Bürgerhauses, die Tage mit Rechnen zu. Noch weiß sie nicht, welche Angebote des Bürgerhauses dran glauben müssen. "Eigentlich müssten wir einen kompletten Arbeitsbereich schließen", sagt sie. "Das wollen wir natürlich nicht, und werden es auch bestimmt nicht tun."
Am 16. Juni hat der schwarz-grüne Senat den Bezirksämtern Einsparungen auferlegt, die ab dem Haushaltsjahr 2011 zu erfüllen sind.
Sechs Prozent des Etats für Bürgerhäuser und Stadtteiltreffs sollen demnach eingespart werden. Zwischenzeitlich drohte den Zentren die Schließung.
Darüber hinaus müssen die Bezirksämter jedoch mit weiteren rund 10,3 Millionen Euro zur Haushaltskonsolidierung beitragen. Aus welchen Quellen dieses Geld fließt, ist noch offen.
Stattdessen will die Vorstandsfrau auf vielen kleinen Baustellen anpacken, zum Beispiel die Öffnungszeiten verändern oder die Miete für Tagungen erhöhen. - Kein schlechter Gedanke: Politiker, die im geräumigen Bürgerhaus gerne ihre Parteitage abhalten, könnten so einen Teil des einbehaltenen Geldes wieder zurückzahlen.
Das Wilhelmsburger Haus als größtes muss im Laufe der nächsten vier Jahre mit 64.100 Euro weniger auskommen. "Dabei sparen wir jetzt schon an allen Ecken und Enden", sagt Kiehn. Schon seit Jahren sei der Etat eigentlich defizitär. "Nur durch eigenwirtschaftliche Maßnahmen ist es uns bislang gelungen, am Ende plus/minus Null herauszukommen", sagt Kiehn.
In den kleinen Einrichtungen der anderen Bezirke werden die Folgen der Sechs-Prozent-Einsparungen noch sichtbarer sein, weil sie wesentlich kleinere Zuschüsse erhalten. "Unsere 10-Stunden-Kraft, deren Einstellung wir erst im letzten Jahr erkämpfen konnten, werden wir nächstes Jahr schon wieder entlassen müssen", sagt Martin Elbl vom Bürgertreff Altona-Nord.
Die Besucherschar im Wilhelmsburger Bürgerhaus ist gemischt, wie der Stadtteil gemischt ist. Menschen verschiedenster Nationalitäten kommen im lichtdurchfluteten Foyer zusammen. Beim gemeinsamen Essen und Basteln kommen sie sich näher. "Unser kulturelles Angebot spricht sich auch immer mehr bei Menschen mit Migrationshintergrund herum", sagt Volkmar Hoffmann, der im Bürgerhaus für die Bereiche Tanz, Theater und Kreatives zuständig ist.
"Gerade in einem Brennpunktgebiet wie Wilhelmsburg ist es doch wichtig, dass es Orte gibt, an denen Menschen zusammenkommen können", sagt Gülseren Güngör, die das kulturelle Angebot des Bürgerhauses, das sie sogar mit ihrer Großfamilie besuchen kann, besonders schätzt. Pamela Goroncy befürchtet, dass im "einzigen Spot für junge Familien in Wilhelmsburg" die Eintrittspreise steigen werden.
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