Spannungen zwischen den USA und China: Eisige Stimmung in Alaska
Das erste Treffen von Regierungsvertretern Pekings und Washingtons gerät zum Desaster. Und gibt einen Vorgeschmack auf die nächsten Jahre.
Blinken klapperte von Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang bis hin zu Hongkong die gesamte Liste an Vorwürfen ab, die Peking stets als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ wertet. Wang Yi überließ es dem ebenfalls anwesenden Politbüro-Mitglied Yang Jiechi, scharf zu kontern. Jiechi wies die USA auf die Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land hin.
Die Wut der Chinesen war auch hinter den Gesichtsmasken nicht nur deutlich zu vernehmen, sondern auch zu erwarten. Sie wurzelt nicht zuletzt in Joe Bidens erster Sanktionsrunde, die der US-Präsident nur wenige Stunden vor dem ersten Treffen der zwei Regierungen verhängt hatte.
Insgesamt 24 Regierungsvertreter Pekings sollen demnach aufgrund ihrer Hongkong-Politik vom internationalen Finanzverkehr abgeschnitten werden. Dabei muss allen Beteiligten von vorneherein klar gewesen sein: Einen solchen Gesichtsverlust würde Chinas Staatsführung nicht auf sich beruhen lassen.
Vor laufenden Fernsehkameras wurde die Weltöffentlichkeit in Alaska Zeuge, wie sich ein neues globales Machtverhältnis festigt. Die Maxime des einstigen Wirtschaftsreformers Deng Xiaoping, nach der China seine „Stärken verstecken und auf den richtigen Augenblick warten“ soll, sind eindeutig vorüber.
Immerhin wird miteinander geredet
Die Volksrepublik sieht sich als aufstrebende Weltmacht, die mit den USA auf Augenhöhe debattiert. Sie kontert nicht nur Retourkutschen, sondern teilt auch eigenständig aus – auf diplomatischer Ebene und auch über seine orchestrierten Propagandamedien.
Diese hatten in den letzten Tagen schon klargestellt, dass es beim Treffen in Alaska nicht um einen Neustart der diplomatischen Beziehungen gehen würde. „Wenn die USA entschlossen sind, sich auf eine Konfrontation einzulassen, dann wird China bis zum Ende kämpfen“, heißt es in der nationalistischen Global Times.
Im Wirtschaftsmagazin Caixin, bekannt für seine relative Narrenfreiheit, schreibt Redakteur Lu Zhenhua differenzierter: „Ganz gleich, welche Resultate vom Alaska-Treffen kommen oder wer die US-Präsidentschaftswahlen 2024 und 2028 gewinnen wird: Wir werden auf jeden Fall mindestens zehn Jahre eisige Beziehungen zwischen Peking und Washington sehen“. Es bleibe vor allem zu hoffen, dass es zu keinen militärischen Konflikten zwischen den zwei Seiten komme.
Dass zumindest geredet wird, ist dennoch ein gutes Zeichen. Gesprächsstoff gibt es zuhauf: Wirtschaftlich möchte Peking die US-Importzölle auf chinesische Waren wegverhandeln. Diese wird die US-Regierung jedoch nur gegen deutliche Konzessionen der Chinesen wieder aufheben. Denn auch der amtierende US-Präsident kritisiert wie sein Vorgänger Trump die „unfairen“ Praktiken Pekings, darunter den Diebstahl geistigen Eigentums und Industrie-Spionage.
Für Washington sind zudem die massiven Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang ein zentrales Streitthema, die von Blinken bereits öffentlich als „Genozid“ eingestuft worden sind.
Auch der „Visa-Krieg“ zwischen den zwei Ländern steht auf der Agenda. Im letzten Jahr hat China so viele US-Korrespondenten ausgewiesen wie zuletzt nach der blutigen Niederschlagung der Tiananmen-Studentenbewegung 1989. Auch Trump hat etlichen Journalisten chinesischer Staatsmedien ihr US-Visum entzogen.
China laut Umfrage größter Feind
Doch mit Kompromisslösungen ist nicht zu rechnen. Derzeit bieten wohl nur die globale Pandemiebekämpfung und die Klimakrise genügend überschneidende Interessen für gemeinsame Zusammenarbeit.
Die Beziehungen der zwei führenden Weltmächte sind auf einem Rekordtief. Laut einer Gallup-Umfrage waren sich die Amerikaner noch vor einem Jahr uneins darüber, ob China oder Russland der größte Feind der USA sei. Im Jahr 2021 jedoch steht die Volksrepublik mit 46 Prozent eindeutig an der Spitze dieser traurigen Statistik – doppelt so hoch wie noch ein Jahr zuvor.
Nach dem ersten Gesprächstag in Anchorage fiel das Résumé beider Seiten wenig überraschend desaströs aus: „Effekthascherei“ warf Washington den Chinesen vor. Diese hingegen fühlten sich „herablassend im Ton“ behandelt.
Die Schärfe im Ton der Diplomaten ist dabei nicht nur ans Gegenüber gerichtet, sondern auch ans eigene Publikum: Sowohl in den USA als auch in China werden die Schlagzeilen vom Alaska-Treffen die nationalistischen Gefühle höher schlagen lassen.
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