Spanischer Sender im Griff der Rechten: Bald bedeutungslos
Madrids konservative Regierung setzt das öffentliche Regionalfernsehen unter Druck. Der Sender TeleMadrid wird nun von Parteigängern geleitet.
Ayuso hat TeleMadrid nur wenige Monate nachdem sie bei vorgezogenen Neuwahlen im Mai die absolute Mehrheit nur um drei Sitze verfehlte, endlich da, wo sie den Sender immer schon haben wollte. Der Wandel ging rasant vonstatten. Denn Ayuso regiert, dank der Unterstützung ihrer Regierungspolitik durch die rechtsextreme Vox, wie sie will. Und selbst dann, wenn sich Vox einmal enthalten sollte, kann Ayuso von der Opposition nicht überstimmt werden.
Der bisherige rechtsliberale Koalitionspartner Ciudadanos hat den Einzug ins Regionalparlament nicht mehr geschafft. Damit fiel auch das letzte Korrektiv weg, wenn es um Ayusos Pläne, TeleMadrid zu beherrschen, ging. Ciudadanos hatte 2017 durchgesetzt, dass der Direktor der öffentlichen Anstalt mit Zweidrittelmehrheit im Regionalparlament gewählt werden muss. Der Sender wurde nach Jahren der Gängelung durch die konservative Partido Popular (PP) wieder professionell und unabhängig.
Kaum war das neue Parlament im Amt, ließ Díaz Ayuso das Gesetz für TeleMadrid einfach ändern. Der Direktor wird künftig wieder mit normaler Mehrheit gewählt. Der bekannte Journalist José Pablo López, der TeleMadrid in den vergangenen vier Jahren wieder zu Ansehen gebracht hatte, wurde prompt entlassen und durch José Antonio Sánchez ersetzt. Sánchez ist kein Unbekannter. Er brachte vor Jahren das spanische öffentliche Fernsehen RTVE auf PP-Linie, und sparte nach Einbruch der Zuschauerzahlen den Sender kaputt. Bei TeleMadrid wiederholte er die Operation Anfang des Jahrzehnts. Er war 2013 für die Entlassung von über 800 der 1.200 Mitarbeiter verantwortlich.
Den Namen Madrids beschmutzen
„Mit Sánchez hat Ayuso den Sender fest im Griff“, erklärt Luis Lombardo, Vorsitzender des Betriebsrates. „Vor allem die Nachrichtenredaktion ist völlig in der Hand der PP“, sagt Lombardo. Dort wurden nicht nur der Nachrichtenchef ausgewechselt, sondern der gesamte Mittelbau der Redaktion, Sprecher und einige Journalisten.
Das wirkt sich aufs Programm aus. In den ersten zwei Wochen der neuen Etappe wurden in TeleMadrid und dem angegliederten Radio Onda Madrid zwölf Live-Interviews ausgestrahlt. Dabei schafften es gerade einmal drei Personen zu Interviews, die nicht aus der politischen Rechten kamen. Sechs gehörten der PP an, drei der rechtsextremen Vox. Die Linke würde den Namen Madrids beschmutzen, durfte da etwa der konservative Bürgermeister der Hauptstadt José Luis Martínez-Almeida – der ebenfalls mit Unterstützung durch die Vox im Amt ist – zum Besten geben. Die Sprecher saßen dabei und verhielten sich zustimmend. Längst macht der Begriff „TeleAyuso“ die Runde in Madrid.
„José Antonio Sánchez ist ein Totengräber für Fernsehanstalten“, sagt Miguel Alvarez, Professor an der Journalistenschule der Universität im zentralspanischen Castilla–La Mancha, der sich seit Jahren mit den Mängeln und der Gängelung öffentlicher Sender in Spanien beschäftigt. Álvarez ist sich sicher, dass es neben ideologischer Manipulation auch darum geht, den Sender erneut in die Bedeutungslosigkeit zu treiben.
In Sánchez’ ersten Phase bei TeleMadrid sank die Zuschauerquote auf unter vier Prozent. Eine ähnliche Tendenz zeichnet sich jetzt wieder ab. Hatte der Regionalsender in den Jahren unter López erneut Prestige gewonnen, und einen Anteil von knapp acht Prozent erreicht, sank im August, dem ersten vollen Monat unter Sánchez, die Zuschauerquote auf 4,7 Prozent. Nachmittags sehen gerade einmal 1,5 Prozent TeleMadrid. „Wenn so was zum ersten Mal passiert, dann kann die Wahl Sánchez zum Direktor ein Fehler gewesen sein. Aber wenn er zum dritten Mal so einen Posten bekommt, dann ist das gewollt“, resümiert Álvarez.
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