Spanischer Fußballer Gerard Piqué: Vermeintlicher Vaterlandsverrat
Der Katalane Piqué wird nach dem Länderspiel erneut des Vaterlandsverrats bezichtigt. Er will aus Spaniens Nationalmannschaft zurückzutreten.
Ein katalanischer Innenverteidiger, das muss man gleich voranschicken, denn bei dem Shitstorm zur Primetime ging es mal wieder um einen vermeintlichen Vaterlandsverrat des seit Jahren unter Verdacht stehenden Piqué. Der 29-jährige Profi des FC Barcelona hat sich für das Recht der Katalanen auf ein Referendum ausgesprochen (nie explizit für die Unabhängigkeit), und weil er generell ein bisschen vorlaut ist, macht er sich auch manchmal über Real Madrid lustig. Das reichte, um ihn zum Objekt hässlicher Fangesänge zu machen und zum Opfer in den Madrider TV-Debatten, die mit ihrem geifernden Ton problemlos bei Fox News in Amerika laufen könnten. Viele Spanier schauen dort zu, viele pfiffen Piqué in den letzten Jahren bei jedem Heimspiel aus.
Nachdem er vor dem EM-Spiel gegen Kroatien der spanischen Hymne den Stinkefinger gezeigt haben sollte, wurde Piqué nun bezichtigt, die Landesfarben von den Trikotbündchen entfernt zu haben. Die Tat sollte er heimtückisch geplant haben, indem er sich das langärmelige Leibchen geben ließ und dieses dann entsprechend kürzte. Der Aufruhr war so groß, dass er auf vielen spanischen Webseiten den Spielverlauf komplett zurückdrängte – bis der spanische Verband die Berichterstatter über ein nicht ganz unerhebliches Detail informierte, mit der Bitte um Weiterleitung in die Heimat: die langen Trikots haben, anders als die kurzen, überhaupt keine Bündchen. Sprich: Piqué war, im Sinne der Anklage, komplett unschuldig.
„Meine Geduld ist am Ende“
Zum Beweis hielt ein Pressesprecher das Trikot in die Kameras, während der eloquente Verteidiger ruhig seine Entscheidung erklärte. „Meine Geduld ist am Ende“, sagte er. „Sie haben es geschafft, mir die Freude zu nehmen.“ Piqué, erster Einsatz in einer spanischen Jugendmannschaft mit 16 Jahren, 83 Länderspiele, Weltmeister 2010, Europameister 2012, sagte, er habe alles versucht. „Ich habe es so lange wie möglich erduldet. Aber jetzt ist es gut. Jetzt ist der Moment, basta zu sagen.“
Die Entscheidung verstanden am Montag nicht nur sein Vater Joan („Chapeau!“), sondern laut einer Internetumfrage der Marca auch 90 Prozent von rund 25.000 Teilnehmern. Dasselbe, Real-nahe, Blatt kondoliert, Piqué sei „die perfekte Puppe“ gewesen, „an der alle Welt ihre Frustrationen abreagieren konnte“. Anderswo sind es EU oder Flüchtlinge, in Spanien eben die Katalanen. „Piqué bezahlt die barbarische Demagogie aus der spanischen (Medien-)Kaverne“, wütet in Barcelona Sport, derweil sich der Chefredakteur der Madrider As sich nicht nur dafür entschuldigt, dass seine Webseite ohne Rücksicht auf die journalistische Sorgfaltspflicht die Trikotmeldung gefahren habe, sondern auch die symbolische Dimension des Rücktritts erfasst: „Es wäre der erste wegen des ‚katalanischen Konflikts‘, was in dieser historischen Zeit tödlich wäre.“ Das Königreich rückt ja fast täglich dem Zerfall näher, spätestens 2018 will Katalonien laut Plan der Befürworter seine Unabhängigkeit erklären.
Pep Guardiola hat mal gesagt, er spiele gern für Spanien, aber nur, weil es keine katalanische Auswahl gebe. So deutlich hat das Gerard Piqué nie formuliert. Aber er stünde dann ab Sommer 2018 auf jeden Fall zur Verfügung.
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